RTLs Grossstadtdschungel in der Heimat

Die seit 14 Jahren laufende RTL Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“, kurz „Dschungelcamp“ erreicht heuer leider einen Tiefpunkt. Darunter leiden nicht nur Gemeindebau BewohnerInnen, sondern auch die intellektuelle Elite des deutschsprachigen Raums.

 

Ich gebe gerne zu, ich freue mich jedes Jahr wieder, schon Monate im Voraus auf den Seelen- und sonstigen Striptease, der von RTL zusammengewürfelten Möchtegern Prominenten. Moderiert wird das Schauspiel bösartig von Sonja Zietlow und Daniel Hartwich, was einen guten Teil des Erfolges dieser Show ausmacht.

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Sonja Zietlow und Daniel Hartwich

Für unsere LeserInnen, die RTL meiden wie der Teufel das Weihwasser, sei die Sendung kurz erklärt: Personen, die gerne öffentlich leben, lassen sich gegen Gage in den australischen Dschungel befördern. Sie liegen und sitzen dort den ganzen Tag faul herum und geben Einblicke in ihre Multi Problem Lagen.

Unterbrochen wird die Lagerfeuer Romantik von den sogenannten Dschungelprüfungen, hierbei dürfen die Wichtigen der Welt in Kakerlaken baden, Tierhoden runterwürgen oder in Blut nach Sternen suchen. Als Belohnung für bestandene Prüfungen gibt es für den Rest der Mannschaft, die auf Reis und Bohnen Diät gesetzt wurde, extra Essen.

Markus Reinecke, Elena Miras, Antonia Komljen, Daniela Büchner und Marco Cerullo
V.u.l.: Günther Krause, Sonja Kirchberger, Prince Damien, Raúl Richter, Anastasia Avilova und Sven Ottke

Natürlich wählen die bösartigen ZuseherInnen via Televoting besonders gerne die unfähigsten und/oder unwilligsten TeilnehmerInnen in die Prüfung. Dies führt dazu, dass der Hunger größer wird und die Aggression untereinander steigt.

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Ab Woche 2 verteilt der Chips kauende Seher seine Sympathie und ruft für seine FavoritIn an. Der/Die TeilnehmerIn mit den meisten Anrufen bekommt nach 14 Tagen Plagerei, Streiterei und immensen Gewichtsverlust ein Salatbouquet auf den Kopf gesetzt und ist nun DschungelkönigIn. Ach ja, 100.000 Euro darf der Sieger auch noch sein Eigen nennen.

An diesem, objektiv gesehenen, Schwachsinn haben bereits Menschen wie Désirée Nick, Costa Cordalis, Helmut Berger usw. teilgenommen. Désirée Nick, ehemalige Tänzerin und nunmehrige Kabarettistin hat seit diesem Event den Ruf der wortgewaltigen Keife, Costa Cordalis war der nette Mann von nebenan, der sich wacker geschlagen hat und Helmut Berger ist eigentlich nur aufgefallen, weil er sich aus gesundheitlichen Gründen schnell aus diesem Irrsinn verabschiedet hat, war wohl ohne Alkohol und Drogen selbst für ihn zu viel.

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Diese Sendung gibt allen etwas, dem Sender hohe Werbeeinnahmen, den DarstellerInnen ein breites Publikum, auf das sie oft lange verzichten mussten und dem Zuseher eine Menge Schadenfreude und Unterhaltung unter der Gürtellinie. Es werden die niederen Instinkte bestens bedient.

Ich steh dazu, ich habe nicht viel Mitleid und gönne jedem Teilnehmer die ekelhaftesten Dinge runterwürgen zu müssen, von mir aus gerne bis zum Erbrechen oder sonstige schwindeligen Spiele, Hauptsache ich kann lachen.

Heuer ist alles anders. Und das Sprichwort „es kommt nichts besseres nach“ trifft in diesem Fall mehr als zu. Corona bedingt wurde aus dem australischen Dschungel ein Fernsehstudio in einer der ekelerregendsten Gegenden Deutschlands: Hürth. Die ProtagonistInnen, die in den vergangenen Staffeln einiges beruflich erreicht hatten, aber ihren Zenit überschritten hatten, wurden ersetzt durch RTL Trash Format TeilnehmerInnen, die kein Mensch kennen kann, der halbwegs bei Trost ist.

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Bei dieser Ersatzsendung wird um ein Blankoticket für die nächste australische Dschungelshow gespielt. Nein, eigentlich sich prostituiert. Man lebt in Dreiergruppen in einem sogenannten Tiny house, also einer Schrebergartenhütte, in der bekanntlich in den USA prekär Beschäftigte leben.  Die TeilnehmerInnen kämpfen gegeneinander um Sendezeit, indem sie uns an ihrem Sexualleben teilhaben lassen, erzählen über ihre Schönheitsoperationen und die nicht homosexuellen Mitspieler fallen durch ein Frauenbild auf, das sicher nicht durch Alice Schwarzer geprägt ist.

Auch 2 Österreichische Nichtsterne sind dabei: Lydia Irgendwer, berühmt geworden durch Domina Outfits bei einem Gesangswettbewerb, dem Dieter Bohlen vorsitzt, „Deutschland sucht den Superstar“. Sie hat ihr nicht vorhandenes Talent ausgespielt, indem sie versuchte dem alten Sanitäter der Sendung, Dr. Bob, schöne Augen zu machen. Dies wurde vom verheirateten Australier nicht honoriert. Das Publikum wollte sich dieses Theater  weiter ansehen und hat sie nicht nach Hause geschickt.

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Die andere heimische Kandidatin verdankt ihren bescheidenen Ruhm der Heidi Klum Sendung „Gemany´s Next Topmodel“. Gewonnen hat sie dort weder einen Modelvertrag noch Sympathien. Sie ist durch viele Streitereien und Zickerei in Erinnerung geblieben. Madame Zoe Salome Saip hat sich gegen den satanischen Frauenhasser, dessen Namen ich mir nicht merken wollte, durchgesetzt und darf eine Runde weiterspielen.

Der einzig bekannte Name, also zumindest für ältere Semester mit Hang zu pseudolustigen Erotikkomödien der 1980 er Jahre, ist Bea Fiedler. Die hat in mehreren „Eis am Stiel“ Filmen ihre Brüste gezeigt, angeblich mit dem heutigen Fürsten von Monaco eine Affäre gehabt und viel zu viel getrunken. Sie lebt heute von Hartz 4 und möchte gerne was verdienen. Die Frau hat in dieses Trauerspiel mit wenig Aufwand Schwung in die Bude gebracht und ihre Mitbewohner in den Wahnsinn getrieben. Schade, auch für sie ist es vorbei.

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Mike Heiter, Zoe Saip und Frank Fussbroich

Die diesjährige RTL Produktion ist kein würdiger Ersatz fürs Dschungelcamp. Das ist aber weniger der Location geschuldet als dem Plot. Durch die kleinen und wechselnden Gruppen fehlt die Dynamik, die diese Sendung ja erst für den Zuseher interessant macht, die intimen Geständnisse und Bettgeschichten sind ja nur das Salz in der Suppe. Ich und viele anderen sitzen trotzdem täglich vor dem Fernseher, man gönnt uns in Zeiten wie diesen keine anderen Freuden.

p

Chefredakteurin

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