Langspielplatten erleben gerade eine Renaissance, sie war nie richtig weg und wird immer beliebter
Vor vielen Jahren hatte ich einen HiFi-Stereoturm mit Kassettendeck, Verstärker, Radio und natürlich einen Plattenspieler. Das war keine billige Angelegenheit und ich steckte mein Erspartes in Markenqualität. In Wien gab es einige Plattenläden, die meinen Musikgeschmack verkauften. Dumpfbacken-Hitparaden-Lärmbelästigung gehörte nie dazu. Man nahm sich einen Stapel LPs, ging zum Ladenpult und konnte sich Nummer für Nummer mit Kopfhörern anhören.
Vom Stapel blieb meist nur eine Platte übrig. Oft kam noch eine dazu, die im Laden gespielt wurde und gefiel. Kaum zu glauben, aber damals wurde man noch beraten. Mit der Zeit habe ich eine schöne Mischung gesammelt. Zum Beispiel das Doppelalbum von Les McCann “Live in Montreux”, das bis heute zu meinen Top 500 Alben gehört.
Jahre später lernte ich Les in Wien persönlich kennen und wir verbrachten einen ganzen Tag gemeinsam. Wir waren Steak essen, Tennis spielen und hockten in Lokalen. Am Abend hatte er ein Konzert im Reigen und ich durfte sogar Backstage, ein paar Joints mit ihm und seiner Band rauchen. Der geniale Künstler aus Kentucky und seine Musiker hatten sehr interessante Rituale vor einem Auftritt und ich mitten drinnen.
Siegfried Wacker
Siegfried Wacker ist heute erfolgreich im Vinyl-Geschäft. Wir haben uns zu einem Sprudel mit Geschmack im Hotel Jaz getroffen und geplaudert.
Am Beginn seiner Tätigkeit hat er ausgesuchte Platten an die berühmt-berüchtigte Disco CAMERA verkauft. Das Lokal war sehr viele Jahre hip und Musik-Trendsetter. Siegi arbeitete damals gleich vis-à-vis beim “Niedermeyer” (damals ein Geschäft für Fotografie und Musik). Auch unser “Starfotograf” Manfred Baumann hat in frühen Zeiten beim Niedermeyer Fotoapparate verkauft, aber egal.
Eines Morgens kam ein Nachtschwärmer von der Camera in Siegis Plattenabteilung und kotze seinen Frust und Restalkohol in die aufgeräumten Musikregale. Warum er es tat, ist nicht überliefert. “Es war ziemlich grauslich.”.Später wurde unser tapferer Siegi vom Musikverlag “Polygram” angeheuert und ab da ging es steil bergauf mit seiner Karriere. Nun musste er sich nicht mehr mit kotzenden Idioten abgeben, er war nun Key-Account-Manager. Klingt gut, war es auch. “Was bitte ist ein Key-Account-Manager?”. Einfach gesagt, ein Großkunden-Betreuer. Aha, haben wir wieder was gelernt
Er wechselte von “Polygram” zu “Universal Music”, von dort zu “Emi” und wieder zurück zu “Universal”. In diesen Jahren lernte er sein Handwerk von der Pike auf und war sehr gefragt in der Branche. Im Jahr 2008 gründete er “Good to go”, “Groove Attack” und “Rough Trade”. Alles Firmen, die bis heute Vinyl verkaufen, und wurde Sales-Manager und A&R Manager (Vermittler zwischen Künstlern und Plattenfirmen). Unter anderem im Programm: RAF Camora, Beth Hart, Joe Bonamassa, Ernst Molden, Nino aus Wien, Arctic Monkeys etc.
Siegfried Wacker hat in seinem Leben schon viel erlebt, seine Plattensammlung kann sich sehen lassen und natürlich hat er diese in verschiedenen Clubs auch aufgelegt.
Noch liegt der Marktanteil von Vinyl bei 7 %, doch die gute alte oder neue Platte wird immer beliebter, nicht nur bei Jugendlichen. Streaming ist zwar sehr bequem, wie auch die Menschen immer bequemer werden. Doch eine LP auflegen ist nicht nur Ritual, es ist cool und ein ganz anderes, besonderes Hörvergnügen. Die moderne Schallplatte kann Frequenzen von 20 bis 80 000 Hertz speichern, da kommt Youtube und Co nicht mit.
Wir alle sind ja heute so im Stress und haben plötzlich keine Zeit mehr für nichts. Schwachsinn, wir nehmen uns keine Zeit mehr, da verschlingen wir lieber im Vorbeigehen Fastfood, anstatt richtiges Essen zu genießen.
Menschen hetzten durch die Straßen und brüllen in ihr Handy. Jeden Augenblick kommen sinnlose Nachrichten, die natürlich gleich sinnlos beantwortet werden müssen.
Merkwürdiges treiben, nicht nur beim Musikgenuss. Wir kapieren nicht, dass wir uns rückwärts entwickeln und keine Zeit mehr fürs Leben haben.
Knöpferl am Handy sind gleich gedrückt, doch eine Platte auspacken, auf einen Plattenspieler legen und fast alle Hebel nach rechts drehen, bedeutet schon einen “enormen” Zeitaufwand für uns. In dieser Minute könnte man ja auch 15 Mal eine uninteressante Nachricht eines “Freundes” liken. Schön blöd.
Siegi Wacker hat ein Ziel: “Ich möchte den Vinyl-Markt fix etablieren und den Marktanteil auf 15 % erhöhen.”. Recht hat er.
Les McCann “Get Yourself Together (Live at Montreux) (1972)” - recommended by Manfred Cobyn