Aggressiv und überdreht entwirft man am Volkstheater ein Weltuntergangsszenario an Hand eines Romans aus dem vorigen Jahrhundert: „Öl!“. Viel Stoff zum Nachdenken, wenn sich der Zuschauer vom Getöse auf der Bühne erholt hat.
Ist es wichtig, dass sich ein Theater in seiner Stückauswahl mit den derzeit wichtigen Problemen und Herausforderungen der Gesellschaft auseinandersetzt? Daran wird wohl keiner zweifeln! Daher ordert man mit großem Interesse eine Karte für das Theaterstück „Öl!“ im Volkstheater. Erdöl, seine Förderung, die Folgen für die Umwelt und die großen Gewinne von einzelnen wie von Konzernen sind die zentralen Themen.
1927 veröffentlichte der US-amerikanische Autor Upton Sinclair den Roman „OIL!“, der aus heutiger Sicht fast prophetisch scheint. Skrupellos werden Bodenschätze ausgebeutet, der Geldgewinn steht im Vordergrund, der soziale Aspekt wird weit abgedrängt. Schriftsteller und Werk wurden verhöhnt und in Teilen der USA verboten.
Worum geht es?
Das Stück spielt 1912: In Kalifornien floriert das Geschäft mit dem Erdöl, das üppig aus den Tiefen der Erde sprudelt. J. Arnold Ross ist einer der Ölbarone, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Er verdient nicht nur mit der Erdölförderung Millionen, sondern auch mit Grundstücksspekulationen.
Verständnis für Menschen, die nicht Geld verdienen können oder wollen zeigt Ross in geringem Maß. Daher versteht er auch seinen Sohn Bunny nicht, der einen anderen Weg gehen möchte und empathisch auf weniger privilegierten Bevölkerungsschichten zugeht.
Ein wilder Ritt
Die Bühnenfassung im Volkstheater von Sascha Hawemann – er ist auch Regisseur – und Anne-Kathrin Schulznimmt die Handlung als roten Faden des zweieinhalb Stunden langen Abends auf. In einer raschen Szeneabfolge á la einer Revue werden aktuelle Umwelthemen oder freie Assoziationen rund um das Thema Erdöl dazu gewoben. Das führt im ersten Teil bisweilen zu Verwirrung beim Zuschauer, weil man oft die Ideen des Ensembles gar nicht so schnell in Zusammenhang mit dem Grundthema bringen kann. Gegen Ende glaubt man die Intension der Stückeschreiber zu verstehen. Die Welt steht am Abgrund: Ölverschmierte Vögel fallen vom Himmel, Klimaaktivisten geben ein Klagelied, Ölfelder brennen und eine wütende Rockmusik begleitet den apokalyptischen Abgesang.
Engagement pur
Die Schauspieler:innen geben alles. In fast allen Szenen von einem Kameramann begleitet, werden ihre Gesichter auf eine riesige Leinwand projiziert. Nicht immer vorteilhaft für die Darsteller:innen, aber eindrucksvoll für die Zuschauer.
Elias Eilinghoffals Bunny präsentiert vorbildhaft seine Zerrissenheit als Sohn eines mächtigen Übervaters. Dessen Umtriebigkeit bietet ihm ein gutes Leben, aber seine Visionen nach einem anderen, sozialeren, freieren Leben verhindert. Eilinghof erweist sich auch als lautstarker Sänger und Musiker. Noch vielseitiger fetzt Samouil Stoyanov über die Bühne und ist in seinen Roller ein komischer Terrorist Carlos und ein lächerlicher Dollfuß. Beide Szenen wären auch entbehrlich, weil der Überfall auf die Wiener OPEC-Zentrale 1972 Opfer forderte und weil die Herabwürdigkeit der Zeit des Ständestaats einen schalen Beigeschmack hinterlässt. Weiters grandios: Andreas Beck, Frank Genser, Lavinia Nowak oder Friederike Tiefenbacher.
War die Entscheidung das Volkstheater für „Öl!“ zu besuchen eine richtige? Nicht für jede Szene, aber für die Idee sich mit dem was im letzten Jahrhundert und in diesem immer noch mit dem Planeten Erde geschehen ist, auf alle Fälle.