Life Magazin, Susanne Dressler, Sisi, Volkstheater Wien,

So rockt das Leben!

Wer sich in Zeiten von Omikron amüsieren will, geht ins Volkstheater und vergisst in zwei launigen Stunden jeden Virus: „Ach, Sisi – neunund-neunzig Szenen“

Life Magazin, Susanne Dressler, Sisi, Volkstheater Wien,
© Marcel Urlaub - Volkstheater

Zu Weihnachten war „Sissy“ wieder in aller Munde. Romy Schneider und Karlheinz Böhm flimmerten als Kaiserin Elisabeth und Kaiser Franz-Joseph über die Bildschirme und ließen sentimentale Herzen höher schlagen. Die brandneue Verfilmung „Sisi“ zum Thema „unglückliche Kaiserin in der Hofburg“ hingegen trieb jeden der sich nur ansatzweise mit dem Leben des Kaiserpaares beschäftigt hat Zornesfalten auf die Stirn. Die kunterbunte, wilde, respektlose und amüsante Produktion im Volkstheater hat sich wiederum in origineller Weise dem historischen Thema genähert. Über die österreichische Kaiserin, die in Genf ermordet wurde, hat in Österreich fast jeder eine Meinung. Die meisten aber verbinden das Gesicht der berühmt schönen Aristokratin, mit dem von Romy Schneider. Diese wiederum laborierte Zeit ihres Lebens am frühen Erfolg und die Etikette der Sissy klebte ihr bis zum Tod und weit darüber hinaus an ihr.

Life Magazin, Susanne Dressler, Sisi, Volkstheater Wien,

Manchmal blühen Ideen auf!

Der Liedermacher, Kabarettist, Schauspieler Rainald Grebe und Volkstheater-Direktor Kay Voges sprachen mal über „Sisi“, zunächst nur im Spaß, doch so nach und nach formte sich Szene für Szene und schließlich ein Theaterabend. Zunächst ein Danke, dass diese Revue „Sisi“ und nicht „Sissy“ heißt, denn Elisabeth selbst schrieb sich mit einem „s“, wenn sie nicht zum Pseudonym Titania griff. Wer ist nun diese Elisabeth? Eine blutjunge bayrische Prinzessin, die plötzlich Kaiserin wurde. Elisabeth wuchs jenseits von strengem Hofetikette auf, landete in Wien aber in einem sehr heftigen seiner Art. Anstatt sich anzupassen, entzog sich die Kaiserin immer häufiger ihrem Job, begab sich auf ausgedehnte Reisen, schrieb Gedichte und nahm nur wenige kaiserliche Verpflichtungen wahr. Gut, sie gebar unter anderem einen Thronfolger, dem ein trauriges Schicksal als vermutlicher Mörder und tatsächlicher Selbstmörder ereilte. In Österreich weiß auf jedem Fall fast jeder eine Schnurre, ein Gerücht, eine Anekdote über die Kaiserin mit dem prachtvollen Haar zu erzählen. Genau das nützten Grebe und das Schauspielteam und zerlegen Wahrheit und Lügen in kleine Happen – eben 99 Szenen –böse, respektlos, witzig, mit hoher Schauspielkunst, begleitet von einer flotten Band, und einer erfrischender Sicht von außen – vom Piefkes eben.

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© Marcel Urlaub - Volkstheater

Freude am Spiel

Herzlich lachen kann man, wenn ein sich immer heftiger ereifernder Balázs Varnai im Piroschka-Kostüm versucht dem Publikum zwei Worte Ungarisch beizubringen, schließlich schaffte es Elisabeth diese Sprache sehr gut zu sprechen. Er scheitert und beflegelt die Zuschauer charmant als bloße Zahnarzt und Implantate-Touristen. Nachdenklich wird man, wenn die aufgedrehte Moderatorin eines Boulevard-Radio-Senders ein Interview mit Kaiserin Sophie, der Schwiegermutter von Elisabeth führt. Diese spricht von Verpflichtung, von einem Job den eine Prinzessin zu erfüllen hat – eine Anforderung, die auch heute noch für Damen dieses Ranges gelten – , von dem Überdenken des eigenes Ichs als höchsten Wert. Zwischen Klamauk und bitterem Ernst springt das Ensemble auf Steckenpferden über die Bühne und spielt Lipizzaner, hüpft in wippenden Reifröcken (Kostüme: Kristina Böcher) von einer Szene in die nächste, singt und tanzt, rockt auch mal richtig zur Musik ab, simuliert mit kleinen Glöckchen und Schweizer Kuhglocken das 15-minütige Glockengeläute in Wien anlässlich der Ankunft von Sisi in Wien als Braut. Nicht jede Szene ist gleich gut, aber insgesamt wird ein originelles Bild gezeichnet.

Life Magazin, Susanne Dressler, Sisi, Volkstheater Wien,
© Nikolaus Ostermann - Volkstheater

Nur gemeinsam stark

Nichts würde an diesem Abend funktionieren, wenn die Schauspieler nicht so grandios agieren könnten. Zum Glück gehören fast alle zum Ensemble des Volkstheaters, Wiedersehen macht also Freude. Der Träger des Dortmunder Publikumspreises Andreas Beck agiert bravurös, Uwe Schmieder schlüpft virtuos in diverse Rollen und zeigt ein breites Spektrum seiner Wandlungsfähigkeit, Tilla Kratochwil und Anke Zillich heizen dem Publikum ordentlich ein, nicht minder Christoph Schüchner. Einen einfallsreichen Part übernimmt die Laienschauspielerin Susanna Peterka, die darüber philosophiert was Karlheinz Böhm für sie gewesen ist. Nach zwei Stunden fröhlichem Lachen und jeder Menge Sisi/Sissy Rock’n’Roll auf der Bühne, braust begeisterter Applaus auf.

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