Life Magazin Manfred Cobyn

Spitzbub Amor

Ich gehöre zur Wickie- Slime und Paiper Generation. In meiner Jugend flirtete man beim Fortgehen, Tanzen, Kino und in der jeweiligen Ausbildung oder Beruf. Heutzutage wird geliked, gevoted und man chilled mit dem Handy. Keine Konzerte oder Kino, nur stream und youtube.

Ich beobachte schon seit Längerem, dass z.B. in der U-Bahn vier Jugendliche eine Sitzbank beanspruchen, aber kein Wort miteinander reden. Sie tippen wie bei einem Stenowettbewerb auf ihren Mobiltelefonen herum. Die einzige Interaktion, die sie haben ist, dass sie sich Clips, virtuelle Kommentare oder lustige „Pranks“ zeigen.

Traurig, keiner geht mehr Fußball oder Völkerball (darf man das überhaupt noch sagen?) oder in dreckige Sandkisten spielen und tobt sich beim Gummihupfen aus. Eng tanzend zu La Boume- die Fete oder Dirty Dancing spielts sowieso nicht, da Körperkontakt heutzutage leicht falsch ausgelegt werden kann und verschiedenste Infektionen möglich sind.

Kein Wunder, dass so manch einer Lebensmittelintoleranzen, derer gibt es viele, hat. Blasse, blutleere, ewig kränkelnde und schwache (nach Darwin) Existenzen, die nicht mehr wissen, was Spaß ist. Heute ist es eine Pizza-Kebap und virtuelle Generation. In der scheinbaren Sicherheit der Anonymität ist alles erlaubt, leider sogar Snuff-Videos und Kinderpornografie.

Die Eltern sind keine Respektspersonen mehr und werden nicht ernst genommen. Sie trauen sich auch nicht, Verbote oder Sanktionen auszusprechen. Höchstens ein: „Geh in Oasch Oida und lass mich in Ruhe“ wird von den Kindern ohne Emotionen verlautbart. Sie wissen, es passiert ihnen nichts. Keine Ohrfeigen, kein Fernsehverbot oder Taschengeldentzug.

Life Magazin Manfred Cobyn
© Manfred Cobyn - Suchtmittel Handy

In meiner Jugend war das anders

Wir prahlten nicht damit, in wie vielen Fächern wir durchgefallen sind. Wir schauten keine Hardcorepornos, sondern gaben verstohlen ein Bravo Heftl weiter. Auf unsere jüngeren Geschwister wurde aufgepasst, nicht einfach vor eine Playstation gesetzt.

Es wurde halbwegs Deutsch gesprochen und höflich interagiert. Damit meine ich jetzt nicht die heutigen „Menschen mit internationaler Geschichte“ (den korrekten Ausdruck hab ich im Internet nachgelesen), schließlich gab es ja damals schon die „Gastarbaita“ Generation.

Jetzt hat keiner Zeit, nicht einmal für ein Emoticon als Antwort auf eine Frage.

Was war das für ein schönes Gefühl, auf einen heiß ersehnten Anruf seines Schwarms am Festnetz zu warten. Herzklopfend sich etwas zu einer fixen Uhrzeit an einem fixen Ort auszumachen. Da gab es kein: „bin an der und der Station, mein Bus kommt in drei Minuten und laut Google Maps bin ich in 17 Minuten da“. Nur die Zeiger einer analogen Uhr tickten.

Tja, trotzdem war es möglich, dass sich Paare getroffen haben und die Sache mit den Bienchen und Blümchen genossen haben.

Dann kam allerdings die Generation Kebap-Pizzaschnitte-Smombie und die Hälfte der Wickie-Slime-Paiper Altersklasse war plötzlich geschieden, in Entzugsanstalten oder einsam.

Aber keine Angst, es gab nicht kollektiven Selbstmord-Sekten oder das Drohen eines Aussterbens der Menschenrasse. Nein, es gab Partnerschaftsvermittlungsagenturen im Internet.

Life Magazin Manfred Cobyn
© pixabay

Hier kommt meine Geschichte:

In der Blüte meines Lebens war ich schon einige Jahre glücklicher Single. Doch eines Tages wollte ich meine Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle teilen und nach meinem Traummann suchen. Doch wo? In meinem damaligen Beruf lernte ich nicht viele neue Menschen kennen und beim Fortgehen wollte es nicht so recht klappen. Da in meinem Umfeld sich immer mehr Paare übers Internet fanden, wollte ich es auch auf diesem Weg versuchen.

Ich meldete mich „kostenlos“ bei diversen Partnerschaftsvermittlungen an und flirtete los.

Doch das war ohne premium Account gar nicht so einfach. Eine gewisse Wortanzahl bei Nachrichten bzw. gar keine Antwortmöglichkeit, verpixelte Bilder und deaktivierte Chats erschwerten eine Kontaktaufnahme oder dessen Vertiefung.

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© Gala - Ich bin Gala

Eigentlich war ich „a fesche Katz“: 178 cm groß, schlank, lange Haare und sportlich. Auch mein IQ, ohne angeben zu wollen, kann/konnte sich sehen lassen. Temperament, Humor und Willensstärke gehören zu meinen Charaktereigenschaften. Zum Glück fanden auch meine Eltern, dass ich unter die Haube gehörte und sie spendierten mir Mitgliedschaften, die ich mir nicht leisten wollte, da ich diesem Medium sehr skeptisch gegenüber war.

Aber ich muss sagen, es hatte sich gelohnt. Ich hatte so viel Spaß, schon beim Ausfüllen der Fragebögen und des mich Darstellens Unbekannten gegenüber. Es war schon ein Vorteil, dass mich niemand in eine Schublade stecken und ich in der Anonymität mutig sein konnte.

Welche drei Dinge nimmst du auf eine Insel mit?

Meine Antwort: Rambo-natürlich mit seinem Messer, Olivenöl und meine Hunde. Manche versuchten in den vorgefertigten langweiligen Fragen originell zu sein und mit Humor zu punkten. Die interessierten mich auch. Doch der Durchschnitt wollte bei ihrem ersten Date auf einen Kaffee gehen, mit roten Rosen das Bett dekorieren und Julia Roberts oder Sandra Bullocks Double treffen. Wow, wie aufregend. Die Frauen (schließlich musste man sich auch bei der Konkurrenz umschauen) wollten reiten, tanzen und Kinder haben.

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© pixabay - die berühmte einsame Insel

Ich ließ mich nach einer Eingewöhnungsphase auf Dates ein. Der Erste, welcher den Pflanzen mit dem Biomüll drohte, falls sie nicht wachsen wollten, gähnte von Anfang an bei unserem Treffen und ließ sich dann zufälligerweise von einem Freund anrufen, der dringend seine Hilfe brauchte. „Man hört sich…..“. Ok, ich versuchte es nicht persönlich zu nehmen.

Viele waren schriftlich witzig (Ghostwriter?), doch beim Plaudern wurde nur ein Fragenkatalog abgearbeitet, krampfhafter Ernst bei der Suche nach der Richtigen.

Zum Glück gab es so viele Männer, die nach Frauen suchten, dass ich mir auch die lustigsten und scheinbar intelligentesten rauspicken konnte. Ich traf sie als richtiges „Blind Date“ in einem stockdunklen Containerwagen-wir werden nie wissen, wie wir aussahen oder fuhr 180 km um eine Pizza zu essen. Mitten in der Nacht sollte ich sogar beweisen, dass ich kein Mann war- es gab derer viele, welche angegeben hatten eine Frau zu sein, um Intimitäten austauschen zu können. Ich bekam auch ein Mitternachtspicknick mit knisterndem Kaminfeuer oder bekam eine private Weinverkostung von einem Winzer der, bevor er bei mir ankam, einen Autounfall hatte.

Jackpot

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© Manfred Cobyn - diese Seite gibt es natürlich nicht

Wie gesagt, es machte mir wirklich Spaß, ich lernte mich neu kennen, meine Ansprüche wurden verfeinert und ich fand tatsächlich einen Deckel auf meinem Topf.

Sicher, es war nicht auf immer und ewig wie bei Pizza-Kebap-Smombie & Co, doch so eine geballte bunte Mischung aus allen gesellschaftlichen Schichten, Vertretern aller Intelligenzquotienten, optischen Erscheinungen und Wunschträumen lernte ich nachher nie wieder in so kurzer Zeit kennen.

Kate Bush - “Wuthering Heights” - recommended by Gala

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