Oper im Wiener Sommer? Kein Problem…

© Manfred Cobyn/Life Magazin
© Manfred Cobyn/Life Magazin Opernsommer Belvedere 2024

Der Star ist ein Schloß

Startschuss für den Opernsommer Wien: Vor der eleganten Fassade des Oberen Belvederes tritt Mozarts „Don Giovanni“ seine Höllenfahrt an.

 

Der erprobte Open-Air-Besucher checkt am Aufführungstag sorgfältig die Wetter-App und packt den Rucksack: Regenmantel, Regenschutz, warme Jacke, kuschelige Decke und sicherheitshalber ein warmes Schultertuch. Es ist Juli, aber der Wettergott macht woanders Sommerferien, und doch ist er gnädig. Keine Regentropfen stehen in Konkurrenz zu Wolfgang Amadeus Mozarts genialer Oper „Don Giovanni“. Zwar schickt so mancher sommerlich gekleidete Zuschauer verzweifelte Blicke gegen den wolkenverhangenen Himmel und fröstelt unter den Windböen, macht sich das Leben aber schön mit einem Glas Secco Blanc, Langos und Burger an den Foodtrucks. Die Plätze sind im Halbrund vor dem Oberen Belvedere angeordnet und bieten einen guten Blick auf eine schlichte Bühnenausstattung.

Ton gibt das Wetter an

Für jeden Veranstalter von Open-Air-Festivals ist das Wetter der Endgegner. Schüttet es aus Kübeln, brausen Sturm und Unwetter, droht die Absage und die Eintrittskarten müssen wieder ausbezahlt werden. Tröpfelt der Regen schön gleichmäßig auf die Zuschauer, gehört das einfach dazu. Oper im Freien hat eine lange Tradition, funktioniert am besten in der Arena di Verona – hohe Wettersicherheit –, lockt seit Jahrzehnten Tausende nach St. Margarethen und ist nun auch in Wien angekommen. Joij Hattori ist Dirigent, Geiger, Gastronom und nun auch Intendant, stammt aus der japanischen Unternehmerfamilie Seiko und landete mit seinen Eltern im Alter von acht Jahren in Österreich. Der Tausendsassa ortete eine Kulturlücke im Juli und August in Wien. Keine Oper im Sommer, das geht doch nicht. Nach langen Verhandlungen mit der Burghauptmannschaft und dank der Schirmherrschaft von Bürgermeister Michael Ludwig erklingen nun vor dem Oberen Belvedere Opernmelodien.

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© Manfred Cobyn - Gastronom, Dirigent und Intendant radelt zum Dirigentenpult

Das Spiel beginnt


Der Maestro begrüßt launig die erwartungsvollen Zuschauer, verweist mehrmals darauf, dass nach der Pause um 21.55 Uhr ganz pünktlich die Vorstellung fortgesetzt werden muss, denn die Anrainer finden wenig Gefallen an dem „Lärm“ am späten Abend. Dann eilt Hattori in einen Seitentrakt des Schlosses zu seinem Orchester, dem Wiener Kammerorchester. Wie bei so mancher Open-Air-Vorstellung üblich – zum Beispiel auf der Bregenzer Seebühne – sitzen die Musiker gut vor Regen geschützt im Warmen. Die Arbeit des Dirigenten wird auf Screens übertragen, die ausschließlich für die Sänger einsehbar sind.

Mozarts „Don Giovanni“ ist ein idealer Plot für ein Sommertheater. Der ewige Playboy, der sich rühmt, mehr als 2.000 Frauen verführt zu haben, egal ob freiwillig oder nicht, scheucht rüde seinen Diener Leporello, beleidigt seine Kurzehefrau Elvira, macht sich an Donna Anna und das Bauernmädchen Zerlina heran, lässt deren Ehemann Massetto verprügeln und tötet Annas Vater, den Komtur. Und das alles an einem Tag, der allerdings auch sein letzter ist. Don Giovanni wird für alle seine Taten bestraft und fährt in die Hölle, vielleicht stirbt er aber nur an einem Herzinfarkt, weil sein Leben als Sexbesessener doch ziemlich anstrengend ist.

Mozart leicht modern


Die Rezitative der Mozartoper, die die Handlung zwischen den Arien weitertragen, werden in Deutsch gesprochen, wird gesungen, dann in der Originalsprache, in Italienisch. Grundsätzlich keine schlechte Idee, zusätzlich wird per WLAN und QR-Code angeboten, über sein Smartphone die Handlung mitzulesen. Die modernisierten Dialoge werden von den Protagonisten sehr wienerisch präsentiert, das kann man mögen oder nicht, sorgen auf jeden Fall bisweilen für Lacher. Zum Beispiel plaudert Don Giovanni von einem Bekannten Don René, der gerade seine Immobilie verloren hat, und entführt Zerlina in sein „Luftschloss“ und bietet ihr dort einen Job als Aufsichtsrätin an.

© Manfred Cobyn Opernsommer Belvedere 2024
© Manfred Cobyn - Opernsommer Belvedere

Die Regie von Dominik am Zehnhoff-Söns ist solide und einem Sommertheater entsprechend: Die Sänger sind viel in Bewegung, die Szenen wechseln oft von links nach rechts, vieles wird mittig gespielt, damit auch alle Zuschauer auf ihre Kosten kommen. Bühnenbildner Manfred Waba, lange Zeit hoch erfolgreich beim Opernspektakel in St. Margarethen, hat alles versucht, was möglich ist, um bei Einbruch der Dunkelheit Lichtinstallationen auf die eindrucksvolle Fassade des Belvederes zu zaubern, und einmal darf der Komtur Blitz und Donner ins Geschehen werfen. Durchaus originell ist in der letzten Szene die Nachbildung eines Sarkophags aus der Kapuzinergruft, der als Esstisch genauso wie als Sterbebett für Don Giovanni dient.

Solider Gesang


Und nun natürlich das Wichtigste in einer Oper: die Sänger. Diese folgen dem gemütlichen Dirigat solide. Der Bariton Thomas Tatzl ist ein kraftvoller Giovanni, dessen Verführungskunst sicher so manche Dame zum Opfer fallen könnte. Im Duo mit Leporello (Alexandre Beuchat) funktioniert es gut und dynamisch. Die Damenriege schlägt sich tapfer: Donna Elvira (Martina Neubauer) heizt dem Verführer stimmlich einigermaßen ein, die Szenen und großartigen Arien von Donna Anna (Nathalie Pena-Comas) gehen fast ein wenig unter. Juliette Khalil als Zerlina schlägt sich tapfer und ihre Schwangerschaft wird geschickt eingebaut. Die undankbare Rolle des Masetto bewältigt Felix Pacher tadellos.

© Manfred Cobyn - Bariton Thomas Tatzl, Nathalie Pena-Comas
© Manfred Cobyn - Bariton Thomas Tatzl, Nathalie Pena-Comas

Die Überraschung des Abends ist die weiche und bewegliche Stimme von Johannes Bamberger als Don Ottavio. Der Komtur (Andreas Hörl), der normalerweise nach seinem Bühnentod ganz am Anfang der Oper gemütlich bis fast zum Schluss pausieren kann, muss in dieser Inszenierung ständig auf der Bühne stehen und als Spielleiter agieren. Eine etwas undankbare Aufgabe, denn die zugefügten Zwischentexte sind nicht immer originell. Dafür holt er mit kraftvoller Stimme den beratungsresistenten Don Giovanni in die Hölle.

© Manfred Cobyn Opernsommer Belvedere 2024
© Manfred Cobyn - Enseble Opernsommer Belvedere 2024

Das Publikum applaudiert bei der Premiere mit Nachdruck und schwingt sich bald zu Standing Ovations auf. Dann flüchtet man aber doch rasch aus den heftigen Windböen und wünscht dem Ensemble und Unternehmen viele schöne Sommerabende sowie ausreichend Publikum bis 20. Juli. In seiner Eröffnungsrede ersucht Joij Hattori um Mundpropaganda. Gerne, denn es ist ein netter Abend voller mozartscher Musikjuwelen.

 

Susanne Dressler/Manfred Cobyn (Fotos)

Ideal – “Monotonie”

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