Eh schon wurscht!

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Burgtheater : - ( „Zentralfriedhof“ - Herbert Fritsch

von Susanne Dressler

 

Der Tod ist unvermeidlich, daher wird er gefeiert.

Wien wird ein besonderes Verhältnis zum Begräbniskult und zum Tod nachgesagt. Regisseur Herbert Fritsch hatte also für „Zentralfriedhof“ eine Steilvorlage. Richtig genutzt hat er diese jedoch nicht.

Als die Lichter im Zuschauerraum des Burgtheaters ausgehen, bleibt es ein paar Minuten duster. Dann wuselt ein älterer Herr im schwarzen Anzug und Totengräberkäppi auf dem Kopf aus der Düsternis in Richtung Publikum und bringt mit angedeutetem Ächzen und Stöhnen die Drehbühne in Gang. Das Spiel am „Zentralfriedhof“ kann beginnen. Ein Würstelstand mit dem trefflichen Namen „Eh schon wuascht.“ taucht auf, die ersten Lacher im Publikum blitzen auf. Herbert Fritsch und sein Team waren zwecks Recherchen offensichtlich vor Ort, also auf Europas zweitgrößten Friedhof, und sind auf die tannengrün gestrichene Würstelbude von Patricia Pölzl gestossen. Eine charmante Idee diesen in das Bühnenambiente einzubauen. 

Bleibt fraglich, ob die kreative Gruppe ausgiebig über das fast zweieinhalb Quadratkilometer große Gelände des 1874 eröffneten Zentralfriedhofs spaziert ist, vorbei an mehr als 1.000 Ehrengräbern, an der Friedhofskirche des Heiligen Borromäus und an den prachtvollen Grabstätten Wiens. Ob sie einen Eindruck von der üppigen Parklandschaft gewonnen haben, in der mehr als 330.000 Gräber mit insgesamt drei Millionen Verstorbenen ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Denn nichts von der besonderen Atmosphäre, die dieser Ort ausstrahlt, wird sich in den eineinhalb Stunden auf der Bühne des Burgtheaters widerspiegeln. Der Zentralfriedhof feiert in diesem Jahr sein 150jähriges Jubiläum. Daher noch ein Fakt über dieses Reich der Toten: Auf dem Gelände leben mehr als 170 Tierarten und 200 verschiedene Pflanzen können sich hier entfalten.

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© Matthias Horn-Burgtheater/Zentralfriedhof

Wenn Worte fehlen

Auf der Bühne wird mal mit Schaufeln gekämpft. Das elfköpfige Schauspielteam – Gunther Eckes, Dorothee Hartinger, Sabine Haupt, Yahya Micah James, Arthur Klemt, Hans Dieter Knebel, Elisa Plüss, Dunja Sowinetz, Tilman Tuppy, Hubert Wild und Paul Wolff-Plottegg – gestalten mit diesem wichtigen Accessoire des Totengräbers originelle Tableauxs, springt auf Fahrräder und zieht und zieht ihre Runden. Regisseur Christoph Marthaler lässt grüßen: In der Wiederholung der Wiederholung liegt die Stärke. Und in der Stille. Kein Wort ist zu hören, nur Stöhnen, Ächzen, Kreischen, Knurren. Jede Emotion spiegelt sich ausschließlich über die Bewegung und über die Grimassen der Schauspieler und Schauspielerinnen wider. Das ist eine großartige Leistung für Personen, deren Profession die Macht der Interpretation der Worte ist. Auch die Fitness der Damen und Herren auf der Bühne ist zu bewundern, denn sie springen leichtfüßig in das „Grab“ und werden locker von dort per Trampolin in kreativsten Posen wieder ausgeworfen.

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© Matthias Horn-Burgtheater/Zentralfriedhof

Ein bisschen zu Grabe tragen

Wien wird bekanntlich eine morbide Nähe zum Totenkult nachgesagt. „A schöne Leich” war in der Donaumetropole wichtig. Pompfinebrer, einst würdevoll bekleidete Bedienstete der Bestattungsunternehmen, hoch angesehen. Herbert Fritsch hätte reichlich Material, um dies auf der Bühne zu präsentieren – doch nichts davon ist zu sehen. Ein riesiges Skelett baumelt vom Schnürboden, ab und an wird die Bühne in dunkelrot getaucht. Ein bisschen Geisterbahn aus dem Wiener Prater gehört zu Klischees über Wien eben dazu. Wo bleibt aber der Hinweis auf die Liebe zur Morbidität? Wo bleibt „Es lebe der Zentralfriedhof“ von Wolfgang Ambros, das so vieles über die Bewohner der Stadt aussagt? Die Idee den „Donauwalzer“ mit einem Fahrradtanz und ekstatischem Gekreische zu interpretieren ist originell, nur hat dieses berühmte Stück von Johann Strauß wenig mit Totenkult zu tun. Dafür darf ein wenig Halloween, also hallo Wien, sein: Kahle Köpfe ragen aus dem Unterboden, nackte Arme winken den Totengräbern, die panisch versuchen die Besucher aus dem anderen Reich wieder in die Erde zu stopfen.

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© Matthias Horn-Burgtheater/Zentralfriedhof

Abschied

Die Nacht bricht über dem Zentralfriedhof  herein, und die Toten übernehmen das Regiment. Die Schauspieltruppe trägt prächtige, schwarze Barockkostüme und setzt ihren wilden Ritt an Slapstick fort. Rote und rosa Blätter wirbeln über die Bühne, während die Schauspieler und Schauspielerinnen sich aus ihren Trauergewändern schälen, um einen bunten Mummenschanz in grellbunten T-Shirts und Shorts zu veranstalten. Zum Schluss schlüpfen sie wieder in ihre Uniformen, und einzelne werden vom Kollektiv vor das applaudierende Publikum geschoben, fast gezerrt, um das Lob der Zuschauer entgegenzunehmen, das jedoch zögerlich, aber nicht unfreundlich ist. Regisseur Herbert Fritsch tänzelt im Damenbarockkostüm über die Bühne. Die Idee, ein Stück über eine so wichtige Wiener Lokalität wie den Zentralfriedhof zu kreieren, wäre wunderbar gewesen. Damit hätte Martin Kušej einen kleinen Höhepunkt zum Abschied als Burgtheaterchef gehabt. Doch so verpuffte ein Abend, der in jeder Stadt der Welt aufgeführt werden könnte. Übrigens, ein Besuch am Zentralfriedhof lohnt sich…

The Smiths – Cemetry Gates

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