Opfer oder Täter oder einfach nur neumodisch dissonant?
„Der Wozzeck“, eine Oper nach der Musik von Alban Berg und dem Buch von Georg Büchner in der Wiener Staatsoper
Erst vor ein paar Tagen sagte ich zu einer Kollegin: „so neumodische Musik ist nichts für mich“. Aber man soll ja nichts vorverurteilen. Somit begab ich mich in die Staatsoper, um Bergs „Wozzeck“ zu lauschen, ohne vorher je davon gehört zu haben.- Scheint eine Bildungslücke gewesen zu sein.
Was viele vielleicht wussten, manch einen überraschte
Ein kurzer Einblick, was ich nicht wusste, – viele andere Menschen vielleicht ja doch.Das Stück stammt aus der Feder von Georg Büchner aus dem Jahre 1837 und hat an seiner Aktualität meines Erachtens kaum verloren. Büchner stellt die Entwicklung eines Menschen dar, der durch materialistische, gesellschaftliche und soziale Einschränkungen, sein menschliches Dasein nach und nach verliert, um am Ende einen blutrünstigen Mord zu begehen. Bleibt die Frage, wie so oft, ist Wozzeck Opfer oder Täter? Büchner selber war ein jungverstorbener, genialer Autor, dessen Schaffen eine nachhaltige Wirkung auf die Entwicklung des deutschen Dramas ausgeübt hat.
Die Musik vom Berg ist so was von modern!
Alban Berg war ein österreichischer Komponist. Er hat mit Wozzeck die wichtigste Oper der atonalen Musik des 21. Jahrhunderts geschrieben und somit das erste abendfüllende Werk dieser Stilrichtung. Die Uraufführung fand 1925 in Berlin statt. Seit 1930 wird das Stück immer wieder, in verschiedenen Fassungen an der Wiener Staatsoper aufgeführt.
Der Vorhang öffnet sich, man steigt sofort in das Stück ein, ganz ohne Vorspiel und lernt gleich die Hauptfigur, den Wozzeck, kennen. Gesungen wird er von Christian Gerhaher mit einem wundervollen Bariton in einem der bekannten Höhepunkte … langsam, Wozzeck, langsam.Nach dieser Szene beginnt man sich als Zuschauer mit dem einfachen, doch eindrucksvollen, Bühnenbild auf der Drehbühne auseinanderzusetzen. Diese ist in ständiger Bewegung, dass man meint, einen Drehschwindel bekommen zu können. Aufregend, aber auch anstrengend.
Inzwischen macht der Zuschauer die Bekanntschaft von Marie, die Frau, um die sich alles dreht. Gesungen wird sie von Anja Kampe, dem Kenner bekannt durch viele Rollen im Wiener Opernhaus.
Modern ist das Wort für diese Aufführung
Das Stück wurde in die Gegenwart versetzt und spielt unter anderem bei einem Herrenfriseur, am Arbeitsamt, im Fitnessstudio, im U-Bahnhof Simmering, sogar bei einer Koloskopie. Doch meines Erachtens hilft dieser Realismus dem Stück nicht, ich hätte es mir eher zeitlos inszeniert gewünscht. Durch diesen Bruch konnte mich das Stück nicht in seinen Bann ziehen, einzig Marias Sohn hat mich mit seiner Art, seiner Einsamkeit und Verlorenheit zu spielen, gefesselt. Wozzeck selbst konnte mich nicht zur Gänze überzeugen, seine Zerrissenheit und sein Verzweifeln hätten ruhig noch drastischer ausfallen können.
Zweifelsohne hat diese Inszenierung die Menschen in ihren Bann gezogen. Auf dem Heimweg zur Straßenbahn wurde sie von verschiedenen Gruppen heftig diskutiert. Somit hat dieses Stück es doch geschafft, die Menschen zu bewegen und zu beeindrucken. Ich weiß allerdings jetzt auch, dass ich zeitgenössische Oper wirklich nicht mag, es ist mir zu dissonant und schräg, manche Komponisten sind hier dann noch melodiös – Berg nicht.