Ina Müller

Die Landepiste auf der Vulva oder ein Abend mit Ina Müller samt Band

Ina Müller gastierte im November mit ihrem 2020 erschienen Album „55“ in der Wiener Stadthalle und gab ihr Bestes.

Ina Müller ist das, was man gemeinhin als Allrounderin bezeichnet. Sie hat ihre eigene TV-Show, singt Lieder, komponiert und textet, macht Kabarett, spielt schau und vieles mehr. Und vor allem, sie beweist all ihr Können an einem Abend.

Der einzige Haken an der Geschichte ist das Wiener Publikum. Man hat so um den Daumen gepeilt 55 plus Jahre am Buckel, lebt in einer intellektuellen bourgeoisen Bohemian Blase, natürlich in gentrifizierten Bezirken und schaut reaktionär ARD. Darum kennt man Ina Müller.

Ina Müller
Bild: Ina Foscari/Life Magazin

Ina moderiert seit 2007 ihre Late-Night-Show „Inas Nacht“ spätnachts an Donnerstagen, denn die Frau ist nicht kinder- und jugendtauglich. Sie lädt honorige Gäste ein, säuft mit ihnen, damit sie ihnen Geheimnisse und lustig-frivole Geschichten entlocken kann. Oft ist Sex Thema.  Zu guter Letzt darf der Talk Gast (früher mussten sie) mit der Gastgeberin ein Liedchen trällern, da kann der Text schon sehr simpel sein und „Ficken“ lauten.  Das Ganze findet in einer Hamburger Hafenkneipe namens „Schellfischposten“ mit passendem Ambiente statt.

Frau Müllers Programm ist abwechslungsreich und kurzweilig, die Band gut gelaunt und motiviert. Sie singt bekannte Titel wie „Rauchen“ und Titel ihres 2020 erschienen Albums „55“. Die Platte heißt so, weil Frau Müller dazu tendiert, ihre Alben nach ihren Lebensjahren zu betiteln. Also ist Ina nach Adam Riese jetzt 57 Jahre alt, man sieht es kaum, sie ist gut geschminkt. An ihren Bewegungen merkt man, sie hat viel Zeit in der Großraumdisco verbracht. Das sollte sich auch bestätigen, sie ließ uns an WC-Gewohnheiten aus dieser Zeit teilhaben. Jede Frau, egal ob jung oder alt, erkennt sich darin wieder – außer sie geht volltrunken auf diese.

Ina Müller
Bild: Ina Foscari/Life Magazin

Ina Müller singt und erzählt. Sie philosophiert auch über Schambehaarung. Sie mochte keine Glattrasur, der schmale Strich, betitelt als Landepiste, hat ihr auch nicht so getaugt.

Die Entertainerin gibt ihr Bestes. Das Publikum lacht manchmal verlegen. Als häufiger Konzertbesucher fühlt man sich unwohl, dies liegt jedoch nicht an der Sängerin und ihrer Band, diese sorgt für Stimmung, wenn man sie den nur annehmen würde.

Selbst als die Gute intimste Details aus ihrer Beziehung mit dem um so viel Jahre jüngeren Sänger und Liedschreiber, im Übrigen in Deutschland ein Superstar, Johannes Oerding, preisgibt, reagiert das Publikum kaum. Mitträllern will das Publikum auch nicht.

Ina Müller
Bild: Ina Foscari/Life Magazin

Die arme Frau Müller gibt ihr Bestes, das noch gut gelaunt und motiviert, wie man nicht oft Künstler bewundern kann. Was macht das Wiener Publikum? Es gibt der angeblich kühlen Norddeutschen das Gefühl in einer Gefriertruhe aufzutreten. Das Publikum geht nicht mit.

Am Ende des Konzerts ruft die Entertainerin zur Revolution! Sie fordert ihre Zuseher auf, sich aus den Sesseln zu erheben und ihr Näher zu kommen, auch da reagieren die Bobos verhalten. Und das macht das Unwohlsein, dieses lethargische Publikum. Man weiß nicht, liegts an den Lockdowns, der Spezies Mensch oder was ist da los.

Frau Müller erfüllt dann sogar noch einen Wunsch. Eine ältere Dame hat mit bunten Filzstiften auf weißem Papier um ein Foto gebeten – wohl einen Hormonschub gehabt.

Ich hatte mir von dem Abend nicht viel erwartet, ich habe es nicht so mit den Norddeutschen. Frau Müller samt Band hat in mir einen Fan gewonnen, das Publikum meine Verachtung erhalten.

Life Magazin, Manfred Cobyn

Ina Müller „Rauchen“ - recommended by Ina Foscari

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Chefredakteurin

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