Life Magazin, Susanne Dressler, Wiener Burgtheater

Der letzte Walzer

Ein frischer Blick auf ein bekanntes Stück: Die Geschichten aus dem Wienerwald am Burgtheater

Life Magazin, Susanne Dressler, Wiener Burgtheater
Bild: Mathias Horn/Burgtheater

Beide sind berühmt und legendär: Der Walzer von Johann Strauß und das Theaterstück von Ödön von Horváth. So assoziiert man einerseits mit den „Geschichten aus dem Wienerwald“ eine samtige Walzerseligkeit und andrerseits ein Sozialdrama. Der gebürtige Ungar Horváth, der 1938 während eines Gewitters in Paris von einem herabfallenden Ast getötet wurde, zeigt in seinen Stücken gnadenlos prekäre soziale Umstände auf und seziert mit feiner Klinge zwischenmenschliche Beziehungen. An Ödön von Horváths meisterhaft skizzierten Charakteren, zerrissen zwischen Überlebenskampf und Kleinbürgerlichkeit, geprägt von Vorurteilen genauso wie von unerfüllten Sehnsüchten und einer politisch angespannten Situation in der Zwischenkriegszeit haben sich zahlreiche große Schauspieler auf der Bühne wie im Film abgearbeitet, was auch die Bekanntheit des Theaterstückes erklärt.

Life Magazin, Susanne Dressler, Wiener Burgtheater
Bild: Mathias Horn/Burgtheater

Im Schnelldurchlauf

Der Inhalt im Zeitraffer: Marianne, Tochter des Zauberkönigs (Inhaber einer Puppenklinik) soll ihren Kinderfreund und Fleischhauer Oskar heiraten. Doch sie verliert sich in einer stürmischen Affäre mit dem Luftikus Alfred. Das gemeinsame Kind wird zu dessen Mutter und Großmutter in die Wachau gebracht. Alfred verabschiedet sich bald aus der Beziehung und Marianne, vom Vater verstoßen, nimmt einen Job in einer zweifelhaften Tanzrevue an, muss sogar wegen Betrugs ins Gefängnis. Oskar beteuert weiterhin seine Liebe und heiratet sie, vor allem aber weil das Kind verstorben ist. Die Großmutter hat die Wiege des kranken Buben in die kalte Zugluft gestellt. „Gott gibt und Gott nimmt“.

Life Magazin, Susanne Dressler, Wiener Burgtheater
Bild: Mathias Horn/Burgtheater

Signale von der Burg

Jetzt hat sich das Burgtheater des Klassikers angenommen und überzeugt mit einer fast klinisch sauberen Inszenierung, die alles andere als Walzerseligkeit oder eine charmante Wiener Seele widerspiegelt. Auf einer fast schwarzen Bühne werden mit wenigen Kulissen die Fleischhauerei, die Trafik und die Puppenklinik mit einigen Requisiten angedeutet. Die Schauspieler in betont hässlichen Kostümen bewegen sich wie aufgezogen, hölzern, verloren, ziehen einsame Kreise. Emotionale Ausbrüche kommen wie unvermutete Eruptionen eines schlafenden Vulkans daher und stehen im scharfen Gegensatz zur gelegentlich monotonen Sprache die die Sprachlosigkeit des Einzelnen untermauert.

Life Magazin, Susanne Dressler, Wiener Burgtheater
Bild: Mathias Horn/Burgtheater

Der niederländische Regisseur Johan Simons hat Präzisionsarbeit geleistet. Es gibt keine Figur, die stärker oder schwächer ist, nur das Gemeinsame malt das Bild, das vielleicht auch Ödön von Horváth vorschwebte. Ein paar Leistungen sind selbstverständlich hervorragend: Sarah Viktoria Frick als Marianne beherrscht ein eindrucksvoll-abwechslungsreiches Minenspiel und beweist in einer etwas lang geratenen Szene mit Alfred (sehr gut: Johannes Zirner) auch beachtliche körperliche Fitness. Nicholas Ofczarek scheint die Rolle des Oskars auf den Leib geschneidert, die Zwischentöne aber, die er immer wieder aus den Texten holt sind schlicht beachtlich. Auf dieser Klaviatur spielt auch Oliver Nägele als Zauberkönig. Er ist zwar ein tyrannischer Vater und weinerlicher Egoist, aber gelegentlich blitzt die Idee eines anderen Charakters auf. Die Rolle der Valerie von Sylvie Rohrer ist exaltiert, aber nicht unpassend, Gertrud Roll gibt alles in der Rolle der Großmutter und Maria Happel peppt als Baronin die Szene nochmals gehört auf.

Life Magazin, Susanne Dressler, Wiener Burgtheater
Bild: Mathias Horn/Burgtheater

Des Dramas Schluss

In den letzten Minuten nimmt das Stück richtig Fahrt auf, obwohl alles gesagt ist und niemand mehr spricht. Marianne ist wieder bei Oskar, der Zauberkönig vom Schlaganfall gefällt, Alfred auf Betrugstour und Valerie auf der Suche nach Liebe. Während die Melodien von Johann Strauß durch das Burgtheater dröhnen, kämpfen Marianne und Oskar lautlos, aber eindrucksvoll um ihre Beziehung, um Annährungen, ertragen Gewalt, verachten sich, die Aussichtslosigkeit auf ein Gemeines ist gleich null. Unter diesem starken Eindruck gibt es großzügigen Applaus vom Premierenpublikum.

Dean Martin "Ain't That A Kick In The Head" - recommended by Manfred Cobyn

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