Die Maschine in mir: Ein Laptop Theaterabend

Ich habe den Teaser zum ausgewählten Stück „Die Maschine in mir (Version 1.0) von Mark O´Connell gesehen, es fiel das Wort Transhumanismus und ich habe mich kurz als Teil der Verschwörungstheorie rund um Klaus Schwab gefühlt.

 

 

Ich liebe das „Burgtheater“ und seine Nebenbühnen. Seit Jahren bin ich stolze Abonnentin, besuche regelmäßig mit meinem ältesten Freund ausgewählte Stücke und diskutiere diese am liebsten mit meiner Begleitung in der Theaterkantine im „Akademietheater“. Theaterbesuche mit Freunden sind die seltenen Schokostücke im Kuchen, die teure Flasche Wein im Supermarktregal oder die kitzelnden Sonnenstrahlen im verregneten Sommer. Dieses Vergnügen eines vollkommenen Abends ist mir und vielen anderen seit Monaten verwehrt. Darum kann man sich nicht vorstellen, mit welch Enthusiasmus ich mich ins Zeug gelegt habe, mir diesen Streaming Abend live aus dem „Casino am Schwarzenbergplatz“ zu gönnen.

© Marcella-Ruiz-Cruzz

© Burgtheater/Marcella-Ruiz-Cruzz -Michael Maertens

Technisch begabt, wie ein Elefant im Porzellangeschäft, habe ich mich also nach dem Kartenerwerb und dem Erhalt von Internetlinks an die Befolgung der mir „befohlenen“ Video Uploads gemacht. Man muss neidlos anerkennen, ich wurde selten so simpel und unterhaltsam in eine, mir schier unerklärliche Welt mitgenommen. Danke Michael Maertens, ich habe das „goldene Ticket“ erhalten!

So war ich nun gespannt, wie es denn sein wird, andere und mich selbst in Form von Tablets im „Casino“ sitzen zu sehen. Und wofür werden die aufgenommen Videos verwendet?

Ina Foscary

© Ina Foscari/Warten auf die letzten Zuseher

 

Technisch gesehen, muss der Aufwand dieses Abends ein Wahnsinn gewesen sein, aber ja, ich habe davon keine Ahnung. Man sieht via Bildschirm anderen Bildschirmen ins Auge, die wie Menschen aussehen und sich sogar bewegen. Michael Maertens erwartet sein Publikum „live“ auf der Bühne der Burg-Dependance, nimmt Bezug zur gegenwärtigen Lage und erklärt uns ZuseherInnen wie sehr uns doch allen die soziale Komponente unseres Seins fehlt und genau dies die Notwendigkeit dieses Abends begründet. Schnell wechselt Michael Maertens in seine Rolle, erschreckend nahtlos sogar führt er uns in seine Rolle ein. Es ist der irische Autor Mark O´Connell, der dieses Stück erschaffen hat.

© Marcella-Ruiz-Cruz

© Burgtheater/Marcella-Ruiz-Cruz

Maertens alias Mark O´ Connell nimmt uns auf eine Reise mit, die vor ein paar Jahren noch als „Science Fiction“ galt. Wir lernen Menschen wie Tim Cannon kennen, der sich etwas unter seine Haut implantiert, das biometrische Daten seines Körpers weiterleitet und so die Heizung reguliert. Der meint, wir seien heute schon nur noch Maschinen, der Körper existiere nicht. Wir müssten uns nur optimieren. Der freie Wille sei eigentlich nichts anderes als eine Illusion. Es ist verstörend. Um uns nicht völlig in dieser Ohnmacht zu lassen, interagiert Maertens mit seinem Laptop Publikum. Es wird nun klar, wieso die Zuseher 3 verschiedene Videosequenzen aufnehmen mussten. Ein Chat wird freigegeben, in dem die Laptops beweisen sollen, dass sie Menschen und keine Roboter sind. Hier wird gleich mit der ultimativen Frage gearbeitet: „Wie werden sie sterben“. Maertens arbeitet mit Paranoia, danke für das erträgliche Maß!

© Burgtheater/Marcella-Ruiz-Cruz

Das Thema des Abends ist der Transhumanismus, also die Verschmelzung des Menschen mit Maschinen. Es werden Persönlichkeiten vorgestellt, die sich dem Thema verschrieben haben und auch ihr Geschäftsmodell darauf ausgerichtet haben, egal ob oben genannter Tim Cannon, Ray Kurzweil, der Entwicklungschef von Google, der sowieso meint menschliches Leben sei überholt und man müsse uns nur mit Maschinen verschränken oder ein weiterer Amerikaner, der eine Stickstoffkühlanlage für Menschenteile betreibt, um diese bei Bedarf wieder aufzutauen.

Folgt das Theater nicht schon technischen Möglichkeiten. Algorithmen, wie ein Stück aufgebaut ist, die Programmierbarkeit des Publikums. Wir erfahren im Kleinen, was das Ziel der großen Idee des Transhumanismus sein könnte.

Marcella-Ruiz-Cruz

© Burgtheater/Marcella-Ruiz-Cruz

Die Gespräche mit sich selbst führt den Schauspieler Maertens auch immer wieder zurück zu sich selbst und spannt den Bogen zur Bibel. Das ewige Leben, das der Mensch eigentlich kein Leid erfahren sollte, die Schöpfungsgeschichte wird angedeutet. Der Autor und der Schauspieler stellen im eigentlichen keinen Bezug zur Religion dar, sie werfen Fragen auf. Ist es uns Menschen wert ewig zu leben, unter der Voraussetzung alles Menschliche aufzugeben?

Marcella-Ruiz-Cruz

© Burgtheater/Marcella-Ruiz-Cruz

Der Abend war technisch perfekt gestaltet. Das war Teil, der die Verstörung nicht nur bei mir hinterlassen hat. Das Stück war tadellos gespielt, mit einem Minimalismus, den ich mir oft wünschen würde, Michael Maertens war grandios. Das Publikum hat bereitwillig mitgemacht und sich einbinden lassen. Die Aufführung konnte nach ihrem Ende für einige Minuten in einem Chat beklatscht und besprochen werden. Der Theaterabend hat mich nicht beschwingt hinterlassen, da die Realität in manchen Teilen, die Fiktion bereit ist einzuholen.

www.burgtheater.at

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