Love Death & Robots Staffel 2
mehr als ein visueller geniestreich
Love, Death & Robots ist mit Abstand eines der spannendsten Experimente des Streaming-Anbieters Netflix. Die genial animierte Anthologie-Serie debütierte im März 2019 mit sage und schreibe 18 kurzweiligen Episoden – mit einer Laufzeit von 6 bis 17 Minuten. Eine diverse Gruppe von Autoren und FX-Teams präsentierte eigenständige Sci-Fi-Geschichten welche sich dramatisch in Stil, Tonalität und Aufmachung unterschieden. Die erste Staffel war letztlich ein Feuerwerk abgefahrener Ideen und großartiger Animationen. Die fast schon schockierende Umsetzung der einzelnen Episoden sprudelte nur so mit expliziter Darstellung von Sex und Gewalt auf hohem Niveau. Die neue „Volume Two“ hat immer noch viel von beidem. Es wird das Gefühl suggeriert, dass das kreative Team hinter der Serie nun weiß, was beim letzten Mal funktioniert hat und was nicht. Infolgedessen fühlt sich Love, Death & Robots dieses Mal ein wenig reifer an, ein klarer Versuch, auf den Stärken der ersten Staffel aufzubauen und gleichzeitig deren Fehlschläge zu korrigieren.
Schwer zu verkraften: Nur 8 Episoden von Love, Death & Robots Staffel 2 2021
Ein schmerzhafter Wehrmutstropfen ist die Tatsache, dass Staffel 2 deutlich kürzer aufällt: Diesmal gibt es nur acht statt 18 Episoden. Die gute Nachricht ist aber, dass auch die Trefferquote höher ist: Zwar sind einige der Episoden deutlich stärker als andere, aber alles in Staffel 2 entspricht dennoch dem Prädikat „sehenswert“. Ich habe alle einzelnen Episoden unten bewertet, beginnend mit den schlechtesten und endend mit den besten. „Schlecht“ ist relativ, auch wenn die Kritik hier gnadenlos sein mag, sollte das niemanden abhalten die einzelnen Episoden für sich zu entdecken – auch wenn manche Folgen nur eine dünne Story haben sind diese dennoch einen Blick wert.
8. "Eis" von Robert Valley
Regisseur Robert Valley – welcher mit “Zima Blue” die beste Episode der ersten Staffel von “Love, Death & Robots” inszenierte – kehrt für diese relativ enttäuschende Fortsetzung zurück. Der ähnlich ausgeprägte Animationsstil leider nichts von der existenziellen Wucht des vorherigen Beitrags. “Ice” handelt von zwei Brüdern im Teenageralter, welche in einer Welt leben, in der “unmodifizierte” Menschen gemieden werden, weil diese sich weigern, qualfvolle Körpermodifikation über sich ergehen zu lassen. Es gibt ein paar clevere Schnörkel in der Animation, wie das herrlich animierte Wort “fuck”, welche in Protagonist Sedgewicks nebligem Atem auftaucht, während er verzweifelt vor ein paar brütenden Eiswalen davon sprintet. Die Geschichte bleibt letztendlich einfach zu dünn und der Höhepunkt zu antiklimaktisch, als dass “Ice” wirklich etwas bewirken könnte.
Ärgere ich mich bloß weil das hohe Niveau von “Zima Blue” nicht erreicht wurde oder jammere ich auf hohem Niveau? Selber ansehen lautet die Devise…
7. Im hohen Gras
Zwar gibt es vieles zu genießen an “The Tall Grass”, einer auffallend animierten Joe-Lansdale-Verfilmung über einen Mann, welcher aus einem angehaltenen Zug aussteigt, um eine schnelle Zigarette zu rauchen, und sich in einem Feld voller fauchender Monster wiederfindet… Diese erwägen den Eindruck einst menschlich gewesen zu sein. Es gibt nur eine Frage, die nie überzeugend beantwortet wird: Was hat diese Geschichte in Love, Death & Robots zu suchen? Es gibt keine Liebe, keinen Tod und keine Roboter – und das Ende ist relativ minimalistisch, denn der Mann wird gerettet und entkommt mit dem Zug. “Im hohen Gras” ist zumindest so hübsch anzusehen, dass man sich wünscht, das Animationsteam hätte seine Talente für eine Geschichte mit etwas mehr Blut und Seele eingesetzt.
6. Rettungskapsel
Michael B. Jordan spielt einen gestrandeten Astronauten, der in einen Kampf auf Leben und Tod mit einem defekten Roboter verwickelt ist und verleiht der zweiten Staffel von “Love, Death & Robots” etwas Star-Power. Aber während es eine wahre Freude ist, dem Astronauten dabei zuzusehen, wie er auf engstem Raum Katz und Maus mit dem Roboter spielt – und am Ende eine ziemlich clevere Lösung erfindet, um ihn zu besiegen – ist die Geschichte selbst so dürftig, wie sie nur sein kann. Letztendlich fühlt sich “Life Hutch” eher wie eine technische Demonstration für die (wirklich beeindruckende) fotorealistische Animation an, als eine vollständig realisierte Geschichte mit Daseinsberechtigung.
5. Bescherung
Wie “Im hohen Gras” handelt es sich um eine gruselige, perfekt unterhaltende Episode, welche sich wie eine kuriose Ergänzung zu “Love, Death & Robots” anfühlt. Mit gerade einmal sieben Minuten Laufzeit ist diese mit Abstand die kürzeste Folge von „Volume Two“. “All Through the House” (Originaltitel) folgt zwei unschuldig anmutenden Kindern, welche am Weihnachtsabend auf Zehenspitzen die Treppe hinunterschleichen, um den Weihnachtsmann zu treffen. Die beiden entdecken, dass der “lustige alte Sack” in Wirklichkeit ein geschenkefressender und -kotzender ekelhafter Dämon ist, welcher sehr deutlich macht, dass man nicht auf seiner Ungezogenheitsliste stehen möchte. Die Kreatur ist ein denkwürdiges Stück Lovecraft’scher Albtraum-Treibstoff, aber ” Bescherung” gibt seine Prämisse ein wenig zu schnell auf und endet mit einem makabren Kichern, gerade als es sich so anfühlt, als sollte es auf die nächste Stufe steigen.
Also Kinderlein.. Brav sein, denn nächste Weihnachten regnet es Kotze und Blut..!
4. Schnee in der Wüste
Jede “Love, Death & Robots”-Episode führt den Zuschauer in einem relativ kleinen Zeitfenster in ein voll ausgebildetes alternatives Universum ein. und ” Snow in der Wüste” (hätte man den deutschen Titel nicht besser im Original belassen können???) gelingt das weitaus eleganter als den meisten anderen Epsidoden. Snow, ein griesgrämiger Kopfgeldjäger, hat ein schlecht gehütetes Geheimnis: Eine genetische Macke, welche es diesem ermöglicht, verlorene Gliedmaßen nachwachsen zu lassen. Praktisch hat ihm dieser erfreuliche Umstand quasi unsterblich gemacht. Leider macht es Snow auch zur Zielscheibe für eine ganze Reihe von Verfolgern – darunter eine mysteriöse Frau mit ihrem eigenen Geheimnis. Man will dem lieben Snow wortwörtlich an die Eier – denn seine geernteten Hoden können nützlich sein, seinen genetischen Vorteil zu reproduzieren. “Snow in the Desert” (Originaltitel) bekommt ein paar Bonuspunkte dafür, dass es eine der wenigen Geschichten in der Love, Death & Robots-Anthologie ist, welche alle drei Teile des Titels umfasst, mit einem Ende, das einen Blick darauf wirft, wie unsterbliche Liebe in dieser besonders dystopischen Ecke des Universums tatsächlich aussehen könnte.
3. Automatisierter Kundenservice
Die beste der Love, Death & Robots Staffel 2-Episoden über Menschen, welche gegen schlecht funktionierende Roboter ankämpfen (sorry, “Rettungskapsel”), ” Automatisierter Kundenservice” ist auch der albernsten und spaßigsten Höhepunkte der Staffel, und wird dadurch umso besser. Basierend auf einer Geschichte von John Scalzi – dessen Werk auch einige der schrulligeren Episoden von „Volume One“ inspiriert hat, darunter “Three Robots” und “When the Yogurt Took Over” – führt “Automated Customer Service”(Originaltitel) die Zuschauer in ein futuristisches Altersheim. Dort sinnieren die Senioren chillend am Swimmingpool, während Roboter ihnen Cocktails und Massagen verpassen. Als ein Staubsaugerroboter durchdreht und seine ältere Besitzerin (und ihren ach so süßen kleinen Hund) angreift, führt ein verzweifelter Anruf bei einer Kundendienst-Hotline zu einem weiteren automatisierten Roboter-Upgrade, welches diesen in eine wahnsinnige Tötungsmaschine umfunktioniert. Es ist zwar ein ziemlich simpler Gag, aber jeder der schon mal am Telefon Zeit mit diversen virtuellen Anrufbeantwortern verbringen musste und eine nervige Roboterstimme ertragen durfte, während man um einen echten, menschlichen Vertreter bettelte, – wird hier garantiert bestens unterhalten! Spoileralarm!!! – Bedauerlicherweise überlebt das nervige instagramtaugliche Hundsvieh die Episode L
2. Jäger und Gejagde
Die düsterste Folge von Volume Two beginnt mit einer faszinierenden Mischung aus Utopie und Dystopie: Eine Zukunft, in der der Tod selbst besiegt wurde und eine ganze Generation von Menschen unsterblich macht – unter der Bedingung, dass sie keine weiteren Kinder mehr bekommen, was zu einer globalen Überbevölkerung führen würde. Der Protagonist ist ein Detektiv der “Pop Squad” (auch engl. Originaltitel), die illegal in die Welt gesetzte Kinder aufspürt und tötet. Die Grimmigkeit wird im englischen Original dieser Geschichte durch den Synchronsprecher Nolan North zum Leben erweckt, welcher vor allem durch seine Rolle als Nathan Drake in den Uncharted-Videospielen bekannt ist. Er bringt authentischen Weltschmerz in einen Mann, der zunehmend müde ist von oberflächlichen Vergnügungen und dem täglichen Horror, welchen er vollzieht. “Jäger und Gejagde” endet ziemlich abrupt, aber es ist leicht, sich eine ganze Serie vorzustellen, welche in diesem Universum spielt. Ganz großes Kurzfilmkino!
1: Der ertrunkene Riese
Es fühlt sich wie ein gelungener Betrug an, aber am Ende verzeihe ich das Fehlen von „Liebe“, „Tod“ und „Robotern“ für eine Episode, welche so immens gut ist wie “Der ertrunkene Riese”. Inspiriert von einer Kurzgeschichte des verstorbenen, großartigen englischen Autors J.G. Ballard, folgt “The Drowned Giant” (Originaltitel) den Nachwirkungen eines unerklärlichen Vorfalls, bei dem die Leiche eines riesigen Mannes an einen Strand gespült wird. Aus der Sicht eines Wissenschaftlers, welcher den kuriosen Vorfall untersuchen soll, wird der verwesende Körper des Riesen von einer wissenschaftlichen Entdeckung zu einer Touristenfalle. Dies resultiert in einer weiteren nützlichen Ressource, welche von der lokalen Bevölkerung ausgebeutet wird, bevor seine Knochen wiederverwendet werden und der Riese selbst völlig in Vergessenheit gerät. “The Drowned Giant” mag zwar nicht buchstäblich einen Tod widerspiegeln, aber er handelt vom Tod und bietet eine seltsame (und seltsam bewegende) Meditation über die unbeirrbare Fähigkeit des Menschen, sich von einem Schicksal abzuwenden, über das er lieber nicht nachdenken möchte. In einer Serie, die häufig dann am besten ist, wenn sie sich mit großen Ideen und Themen auseinandersetzt, bietet “Der ertrunkene Riese” einen hohen Maßstab, an welchen sich zukünftige “Love, Death & Robots”-Episoden messen lassen sollten!
EHRLICH UND DIREKT ZUSAMMENGEFASST
Wer die erste Staffel geliebt hat, kommt an der zweiten nicht vorbei. Auch wenn nicht alle Erwartungshaltungen erfüllt werden konnten, handelt es sich hier um ganz großes (Kurzfilm) Kino! Wer sich endlich mal wieder einen inspirierenden Brainfuck gönnen möchte, kommt hier garantiert auf seine Kosten. In den wenigen Minuten Laufzeit gelingt den Machern mit deren Kurzgeschichten den Autoren des Mainstreamkinos, welches sein Publikum mit ausgelutschten Geschichten über Stunden quält, so richtig ans Bein zu pinkeln. „Love Death & Robots“ verdeutlicht, wie langatmig, eindimensional und oberflächlich unsere heutige Medienlandschaft eigentlich ist.
Tod und Verderben dem eintönigen Marvel-Universum, der nächsten hirnarmen Ausgabe von „Fast and the Furious“ und allen anderen Gehirnzerfall-fördernden Idiotien:
Lang lebe „LOVE DEATH AND ROBOTS“ !.. Amen.
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