Live is life mit Kind und Kegel
Die Post hat noch immer keine Aufbewahrungsbox für Kinder. Die Sonderbetreuungszeit ist aufgebraucht, der Zeitausgleich wurde genommen und der Urlaub ist sowieso längst weg.
Der Pflegeurlaub würde noch zustehen. Aber bitte, was soll an Pflege ein Urlaub sein? Ist das Kind erst krank, gibt’s weder Schlaf noch Kaffeepause, vom gemütlichen Sofakuscheln und Netflix Marathon kann auch keine Rede sein. Das Kind will auch nicht krank werden. Aber wir haben wieder einmal Lockdown. Der ist besonders super, wenn man, wie ich systemrelevant ist. Für die Gesellschaft unverzichtbar heißt in meinem Fall ich höre mir die Probleme anderer Menschen an und versuche sie zu lösen, während es für mich eigentlich keine Lösungen gibt, die erlaubt sind. Die Bundesregierung leistet da ganze Arbeit.
Zwei Wochen vor Weihnachten wurde die österreichische Bevölkerung aufgefordert zu konsumieren, heimisch, bitte. Also drängten sich am Wochenende die folgsamen Einheimischen im Shoppingcenter oder in der Einkaufsstraße von Geschäft zu Geschäft, die Schutzvorrichtung baumelte unter der Nase herum und man brüllte schon einmal Wünsche und Begehrlichkeiten hinaus. Sei wie es sei, brav waren wir.
Nun freute man sich auf das Fest der Liebe, die Angehörigen kamen aus allen Himmelsrichtungen zusammen, es wurde geherzt und gebusselt, gut gegessen und einer über den Durst getrunken. Stille Nacht!
Die Strafe für die Folgsamkeit folgte umgehend. Ab dem heiligen Stefan saßen wir wieder häuslich getrennt in den eigenen vier Wänden und das bis irgendwann im Jänner, ist von offizieller Seite zu hören. Die Realität wird uns länger an den Herd und ins Homeoffice fesseln.
Dem aber nicht genug, die Schule bleibt auch zu, es gibt wieder Distanz lernen. Die Kinder können zwar in der Schule betreut werden, belehrt sollen sie aber zu Hause werden. Super für die Frau, die den ganzen Tag Regale schlichtet, sich von unzufriedenen Kunden ankeifen lässt, völlig fertig heimkommt und dem Kind zur Schlafenszeit den Schulstoff vermitteln darf. Ich bin da privilegiert. Ich kann mir halbwegs einteilen, wann ich Problemfeuerwehr spielen muss. So geht’s dann also in die nächste Runde.
Herr Bundesminister Heinz Faßmann und sein Ministerium gaben gute Tipps: aufstehen wie immer, Morgenwäsche wie zu Schultagen und abwechselnd Unterrichtsstoff und Bewegungseinheiten. So weck ich also das Schulkind brav auf, nachdem ich nach dem Nachtdienst schnell geduscht habe. Mein Kindergartenheld muss ja auch zu Hause bleiben, also darf er Mandalas ausmalen, was er so liebt, wie ein Nichtraucher sein Schnitzel im verrauchten Vorstadtgasthaus isst.
Der Leistungsträger, sprich Schüler richtet sich sein Schulzeug. Da folgen dann sofort Rufe nach Trinken, Klogängen und eigentlich wäre Fußballspielen sowieso viel toller. Die Kinder zur Arbeit zu nötigen ist der erste Kraftakt des Morgens. Bitte, ich bin ja kein besonderes Mathematik Talent, aber von der ersten Klasse Volkschule bis 10 Jahren rechnen bekomme ich tadellos hin, auch wenn mich der ABC-Held öfters berichtigen muss. Die Schreibarbeiten gehen ihm schwieriger von Hand, also befolgen wir die Ministeriumsanweisung und gehen einmal eine Runde Rad fahren. Leider hab ich vergessen, dass seit dem ersten Lockdown die Temperaturen um mindestens 20 Grad gesunken sind, verschlimmert durch die schlaflose Nacht, sind es gefühlte 40 Grad.
Wieder daheim versuche ich zu übersehen, dass der Kleinste sich heimlich mein mobiles Telefon geschnappt hat und in seinem Zimmer Knöpfe drückt. Der Größere versucht seine Buchstaben wie auf einer Computertastatur hinzubekommen. Gut er ist ein wenig neurotisch-perfektionistisch, das erschwert ihm das Leben und beansprucht meine Nerven sehr. Aber wir kriegen das hin.
Während der Radiergummi immer mehr zusammenschrumpft darf ich Mittagessen zubereiten, keine einfache Übung, Erdäpfel zu schälen und im Sekundentakt nicht zufriedenstellende Wellen und Buchstaben auszuradieren. Der Kleinste hat ein Problem mit dem Handy. Blöderweise hat das eine automatische Sperre, wenn es ein paar Minuten nicht benutzt wird. Das bringt den Jüngsten in einen Zwiespalt: Fadesse oder seinen Diebstahl zugeben. Ich höre es deutlich. Endlich haben wir alle die Beine unter dem Tisch und die Kinder jammern über den Gemüseauflauf, lieber hätten sie Palatschinken gehabt.
Spieleinheit wäre angesagt, nur sollte ich eigentlich irgendwann die Wäsche machen, den Staubsauger spazieren führen und etliches anderes. Die Überlegungen, was zuerst zu tun ist, werden unterbrochen von Kriegsgeheul. Wie es so ist, braucht jeder meiner Knaben genau das eine Legomännchen. Den Bedürfnissen wird mit Geschrei und Fäusten Nachdruck verliehen. Da ich Mord und Totschlag in meinen Vier Wänden nicht dulden kann, kapituliere ich: sie dürfen sich ansehen, wie Hunde in diversen Fahrzeugen die Welt retten.
Mittlerweile ist es später Nachmittag, mein Schulanfänger sollte noch Lesen üben, der Kleine muss durch die Gegend rollen und massiert werden. Ich muss mich entscheiden. Ich denke an Auftragsarbeiten, Problemlösungen und an den nächsten Tag. Dieser wird genauso beginnen und enden wie der heutige. Ich habe Glück. Der andere Elternteil lebt mit uns im gleichen Haushalt, ist liebender Vater und bereit, seinen Teil zu übernehmen. Die Alleinerzieherin, die jetzt erst von der Arbeit kommt, hat noch ein großes Programm vor sich, keinen Moment Ruhe, viele Sorgen, wenig Schlaf. Aber sie hat Glück, immerhin darf sie arbeiten und ihr Kind mit tollen heimischen Dingen beschenken und ihm zur Schlafenszeit die Dinge mitgeben, die eigentlich Aufgabe des Staates sind.