Der „Godfather“ des Punk, Iggy Pop hat gefühlte zwei Minuten benötigt um die Besucher des Konzerthauses aus den Sesseln zu holen, und aus den heiligen Hallen der Hochkultur einen Ort der Lebenslust und Sünde zu machen
Wie es sich für Herren der Generation Iggy Pop gehört, hat er sein Publikum warten lassen, stürmte dann, und das bitte ist bei kaputter Hüfte, 2 ramponierten Knien und einem Klumpfuß, eine Kunst, auf die Bühne. Der Menge hat er stillvoll den Mittelfinger gezeigt, vor sich hin gemault, dann der Startschuss: Iggy griff sich auf seinen, wir drücken es vornehm aus, SCHWANZ und die Menge rannte los. Blöd für die, die 199 Euro und mehr für ihre Karte gezahlt haben und die körperlichen Mängel des Angehimmelten teilen. Ich war schnell genug, ich habe das Konzert quasi auf der Bühne verbracht. Mit dem Gemächt von Iggy vor der Nase.
Der als James Newell Osterberg, im Nirgendwo in Michigan, geborene Musiker hat viel zu erzählen, wurde er doch im April stolze 75 Jahre alt. Er hat viel Musik gemacht, mit Koryphäen wie David Bowie und Lou Reed die (Musik-)Welt aufgemischt und seinen Körper mit allem, was Gott verboten hat, konserviert. Das merkt man. Es schadet aber nicht.
Iggy Pop hat gestern bewiesen, man kann auch den steifsten Konzerthausbesucher, bitte es gab sie vereinzelt zwischen punkig gekleideten Fans, die Haute volée. Der Beitrag dieser Gruppe zum Punk war das Weglassen der Krawatte und die Akzeptanz seinen Hintern vom Sessel heben zu müssen. Mutig auch von Hr. Pop, dass er sich in diese Umgebung gewagt hat, hat er doch dieser Steifheit seinen schweren Bühnenunfall vor einigen Jahren zu verdanken, als beim gewollten Bad in der Menge des Stars jemand zurückwich, offenbar wollte man nicht schmutzig werden, und der arme Mann hingeknallt ist.
Viele Fans sind gewohnt Iggy Pop in einem Ambiente wie der Arena zu Gesicht zu bekommen. Das hat schon was. Der Abend im Konzerthaus war besonders, es hat diesem Mann aber auch eine Würde zu teil werden lassen. Und das war gut und richtig. Mag Iggy nicht mehr die perfekte Stimme haben, teilweise wirkt sie brüchig, aber was dieser Mann perfekt kann, ist sein Publikum auf seine Reise mitzunehmen.
Die Setlist ist kurz besprochen, es gab gewohntes, das wofür man zu Iggy geht, wie Lust For Life oder Passenger, es wurden auch Sachen vom neuen Album, das kurz vor Corona, 2019 erschienen ist, FREE und wohl der Grund für die Tour war. Songs wie James Bond gehen rein, sind jazzig angehaucht. Das spiegelt sich auch in der Begleitband wider. Phasenweise hat man das Gefühl Band und Sänger fremdeln noch ein wenig, es stört aber nicht. I´M Sick Of You läßt den Künstler in keinem Licht erstrahlen, das man sich für ihn wünscht, verarbeitet der Song ja eine Trennung, die nicht besonders elegant war. Man möge ihm verzeihen, Drogen holen oft das Schlechteste in einem Menschen hervor.
Das Ambiente des Konzerthauses war perfekt, gut die Bestuhlung hätte man sich gleich sparen können, aber geschenkt.
Das Personal von Hr. Pop war gut geschult, hat die Situationen gut im Griff gehabt, den Pöblern wurde auch der mitgebrachte Alkohol abgenommen, die Zeiten, in denen sich der Künstler in Glasscherben wälzt, sind vorbei. Heute wird mit Kuschelvögeln geworfen, was den kleinen Jimi sichtlich gefreut hat, anscheinend durfte sein lebendiger Kakadu nicht mit auf Tour.
Alles in Allem, gut, dass man dieses Ambiente gewählt hat, es war besonders, super, dass Iggy trotz der körperlichen Beeinträchtigungen noch auf die Bühne will, das spürt man in jedem Augenblick, er interagiert mit seinen Fans, hat keine Berührungsängste, das ist mitunter das, was diesen Mann außergewöhnlich macht. Auch seine Verlässlichkeit den Großteil seiner Konzerte mit nacktem Oberkörper zu verbringen, heizt die Sache an. Gut, er ist nicht mehr straff, seine Haut ist die eines alten Mannes, aber das ist mutig und gibt Hoffnung fürs eigene Altern. Schön wird man nicht bleiben, aber bitte so einen Pfeffer mit 75 Jahren! Iggy live zu sehen ist immer eine Naturgewalt, hoffentlich hat er noch lange Freude daran sein Publikum in seine Welt mitzunehmen.
Ich werde mich nicht mehr waschen. Immerhin haben mich ein paar “Schlatztropfen” des Sängers getroffen.
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