Keine Menschenseele

Mai 25, 2022

Bevor ich ins Theater gehe, erkundige ich mich immer etwas über das Stück und den/ die Autorin.

Vor allem, wenn es ein neues, unbekanntes Stück ist. Es geht um digitalisierte Stimmen, hieß es im Vorfeld.

Mit Siri, Alexa und der Ansager Stimme von Chris Lohner im Ohr, gehe ich ins „Kasino“, weiterer Spielort das Burgtheater. Obwohl ich viel im Burgtheater war und bin, hatte ich es noch nicht ins Kasino geschafft. Mein Kommentar dazu: alter Festsaal mit unbequemen Sitzen.

Das Stück beginnt mit leerer Bühne, vielleicht leerer Bühne, vielleicht leerer Bühne, mit leeren Glasvitrinen. Vielleicht Vitrinen, vielleicht Telefonzellen, vielleicht Telefonzellen ohne Telefon und Stimmen aus diesen Vitrinen.

Auch als die Schauspieler dazukommen, (mir ist nicht klar, was sie eigentlich darstellen sollen) geht es in dieser Art Sprache, vielleicht Sprache, vielleicht Gedanken weiter.
Fast eine Stunde, wo nicht wirklich eine Handlung, eine Aussage erkennbar wird. Es sind immer nur Gedankenfetzen, von den Schauspielern wiederholt, leicht abgewandelt.

Dann wird langsam erkennbar: Es sind (für uns) sichtbar gemachte Tote, Bots – digitale WiedergängerInnen. Luziwuzi, Ludwig Viktor, Bruder von Kaiser Franz Joseph, eine schillernde und skandalumwitterte Person seiner Zeit. Peter, der Gründer der Firma Euphonia, glaubt im Sinne des Erfinders Joseph Faber (hat die erste Sprechmaschine gebaut und in Wien präsentiert) zu handeln. Ella, eine Klimaaktivistin, die die Bäume sprechen hört, aber Menschenleben auf dem Gewissen hat und Walter, der einer Person nachempfunden ist, die die Gruppe Laokoon bei ihren Recherchen zu dem Thema digitalisierte Stimmen/Menschen gefunden hat.

Nach und nach erfährt man die Geschichte der vier Bots, aber sie verändern sich, mit jeder Information, die sie erhalten.
Leider war dann nicht mehr viel Zeit übrig, um das Thema zu vertiefen, wie sie mit zusätzlichen Informationen aus anderen Quellen als ihrem Leben umgehen.

Die Gruppe Laokoon (Cosima Terrasse, Moritz Riesewieck, Hans Block) arbeitet in und mit verschiedenen Medien, ihr Film „The Cleaners“ wurde 2018 für einen Emmy nominiert. Ihre Projekte sollen trojanische Pferde unserer Zeit entlarven.

Am Ende des Stücks kommt vielleicht ein Nachtwächter in den Serverraum und meldet dann an die Zentrale, dass hier „Keine Menschenseele“ sei.

Das Publikum, sehr viele junge Menschen, war sehr begeistert.
Ich habe am Anfang des Stückes nur gedacht: was für ein Schwachsinn! Aber je länger ich darüber nachdachte, umso besser gefällt mir die Idee des Stückes, aber der Anfang hätte vielleicht etwas kürzer sein können. Auf jeden Fall ein interessanter Abend und es geht viel weiter als nur Siri, Alexa und Zugansagen von Chris Lohner.