Das Burgtheater setzt zum Saisonstart auf einen Klassiker und auf das Spiel um die allgegenwärtige Macht: „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller – Vorhang auf!
Es herrscht Aufbruchsstimmung im Burgtheater. Die 3 G’s werden sorgfältig exekutiert, Maske ist Pflicht, die Suche nach den Plätzen kann beginnen. Die Ziffern auf den neu-rot bespannten Stühlen sind schlecht lesbar. Daher beobachtet man einen Großteil des bunt gemischten Premierenpublikums in leicht gebückter Haltung auf der Suche nach dem richtigen Platz.
Von Salzburg nach Wien
Das Drama von Friedrich Schiller lockt, obwohl oder gerade weil dieses Stück bei den diesjährigen Salzburger Festspielen bereits einen furiosen Erfolg einfahren konnte. Männer dominieren die Bühne, man weiß also rasch wer das sagen hat. Die Statisten sind nackt und werden im Laufe des Abends kaum zu einem Mantel greifen aber in eindrucksvollen Tableaus Szenen Gewicht verleihen.
Der Mann und sein Geschlecht
Auch wenn das männliche Geschlecht die Bühne beherrscht, in dem Klassiker dreht sich alles um zwei Frauen: Maria Stuart und Elisabeth I. 18 Jahre ist Maria Stuart bereits gefangen, nun soll ihr Kopf wegen Hochverrats fallen. Birgit Minichmayr wehrt sich als Maria Stuart gegen ihre Ankläger, spukt mit ihrem unverwechselbaren Stimmtimbre die Worte den übergriffigen und eifrigen Höflingen der anderen Königin entgegen. Steht sie zu Beginn noch geknickt an eine rote Fessel festgezurrt, steigt ihre Selbstsicherheit je näher der Tod kommt. Bibiana Beglau als Elisabeth I. beschreitet den umgekehrten Weg: Die mächtige Herrscherin im Hosenanzug macht die Entscheidung, ein Todesurteil über eine Ebenbürtige fällen zu müssen, schwach und unsicher.
Machtplänkeleien
Schiller hat den beiden Königinnen eine gemeinsame Szene gestattet, in der historischen Realität fand diese nie statt. Im Burgtheater wird sie nach einem etwas zähen Einstieg aus Machtplänkeleien zu einem ersten Höhepunkt.
Die beiden Damen vernichten das zarte Pflänzchen Verständnis für einander mit grausamer Wortmunition. Jetzt schlägt die wahre Stunde von Regisseur Martin Kusej, jetzt arbeitet er mit beeindruckender Präzision den Konflikt der Mächtigen heraus wenn es um den Tod geht. Die Verantwortung will dann doch keiner tragen. Sensationell windet sich Bibiana Beglau unter der Last dieser Entscheidung.
Letztendlich
Letztendlich passiert das, was allen im Zuschauerraum bekannt vorkommt: Der, der entscheiden sollte schiebt die Verantwortung von sich und beschuldigt die anderen das finale Urteil getroffen zu haben. Das Publikum nickt: Ja, genauso ist es mit den Mächtigen. Maria Stuart stirbt, die Geschichte nimmt ihren Lauf: Elisabeth I. geht als eine der erfolgreichsten Herrscherinnen in die Historie ein. Fazit: Eine brillantes Lehrstück über Macht, ein Abend zweier überragender Schauspielerinnen, in der die Männer trotz ihrer Präsenz Nebenrollen spielen.