DAS ENDSPIEL – HAT NICHTS MIT DER EM ZU TUN

ZWEI, DIE ES KÖNNEN

DER EINE IST BLIND UND KANN NICHT LAUFEN, DER ANDERE KANN ZWAR SEHEN, ABER NICHT SITZEN. FRANK GENSCHER UND UWE SCHMIEDER ZEIGEN WAS SCHAUSPIELKUNST IST. SAMUEL BECKETT RÜCKT AUF WEITEN STRECKEN IN DIE 2. REIHE

 

Ein grüner Punkt auf der Eintrittskarte ermöglicht den Weg zum Sitzplatz. Ruhig und gelassen ist die Stimmung vor der Premiere im Volkstheater. Die Besucher sind bestens vorbereitet, zücken Handys mit Testergebnissen, wedeln mit gelben Impfpässen und freuen sich wenn der Publikumsdienst den Weg frei gibt. Was nicht möglich ist: Ein gemütliches Glas Wein vor der Vorstellung, geschweige dem danach, denn das Büfett ist geschlossen.

© Nikolaus Ostermann / Volkstheater

Somit lautet das Motto: Direkt zum Kunstgenuss. Der macht sich schon bemerkbar, während man seinen Platz – gute Aufteilung nach den COVID-Regeln – sucht. Heftige Technobässe beschallen das renovierte Volkstheater und auf der Bühne arbeiten sich die beiden Protagonisten des Stückes bereits in einer der ersten – viele werden folgen – Endlosschleife an Worten ab: „Ich werde dich verlassen. Du kannst mich nicht verlassen. Dann werde ich dich nicht verlassen.“ Der Besucher sieht auf eine Guckkastenbühne, auf anthrazitfarbene Wände, auf denen mit weißer Kreide die spärlichen Möbel aufgemalt sind: ein Heizkörper, eine altmodische Kommode, ein Spiegel und eine Blumenvase. Die Schauspieler Frank Genser und Uwe Schmieder stecken in clownesken schwarz-weiß Kostümen, sind grotesk geschminkt und ergänzen so das originelle Ambiente (Bühne: Michael Sieberock-Serafimowitsch und Kostüm Mona Ulrich)..

Volkstheater-Direktor Kay Voges teilt das Schicksal einiger Direktoren-Kollegen in Wien. Weder er noch Bogdan Roščić an der Oper, noch Stephan Pauly im Musikverein und auch nicht Martin Kušej an der Burg konnten die ganze Palette ihrer Visionen für die erste Spielsaison auffahren.

Die Pandemie stoppte ihre Starts und nun kurz vor dem Sommer  soll plötzlich mit vollen Segeln gefahren werden. Gut, wenn da Bewährtes zur Hand ist. Samuel Becketts „Endspiel“ in der Regie des Hausherrn wurde im Schauspiel Dortmund, wo er von 2010 bis 2020 als Intendant agierte, bereits mit großem Erfolg gespielt, Uwe Schmieder und Frank ­Genser stets bejubelt. Das Stück steht und fällt aber auch mit diesen Schauspielern. Der riesenhafte schlacksige Frank Genser steht eineinhalb Stunden auf unbequemen Plateauschuhen leicht gebeugt und Uwe Schmieder kauert in einem fahrbaren Sessel. Um möglichst authentisch einen Blinden zu spielen, sind seine Augen abgeklebt. Clov und Hamm – in der Voges-Insze­nierung heißen sie Lum und Purl – leben im Nirgendwo in einer haarsträuben-toxischen Beziehung und können nicht voneinander.

© Nikolaus Ostermann / Volkstheater

Vermutlich fühlt sich mancher Besucher an die eine oder andere selbst erlebte, ungesunde, Beziehung erinnert. Dazu kommt der Umstand, dass die beiden ahnen, dass draußen etwas Schreckliches passiert ist. Nur was? Das fühlt sich ein wenig nach Pandemie an, aber man möchte gar nicht in diese Endzeitstimmung gezogen werden. Kay Voges Inszenierung ist auch nach fast zehn Jahren nicht in die Jahre gekommen: Becketts Text ist aufgefrischt, trotzdem scheinbar für die Ewigkeit, Slapstick hat hier seine Berechtigung und amüsiert zumindest einen Teil des Publikums heftig und die Geräuschkulisse ist sinnstiftend (Sound-Design Mario Simon, Live-Sound Sebastian Hartl), wirkt sehr trendig. Die große Leistung des Abends ist aber jene von Frank Genser und Uwe Schmieder, die dieses Stück sichtlich völlig verinnerlicht haben. Ein durchaus erfolgreicher Abend für das Volkstheater, für das Publikum hat die Vorführung in erster Linie aufgezeigt, wie wunderbar es ist, großes Können auf der Bühne verfolgen zu dürfen.

© Nikolaus Ostermann / Volkstheater
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