DISTURBED: IRGENDWIE VERSTÖREND

Fans der US-Metalband Disturbed (steht für gestört, verstörend, Anm.) kommen seit Wochen entweder aus dem Staunen, oder dem Kopfschütteln, oder beiden nicht mehr raus. Obwohl mit Ausnahme des ersten Longplayers „The Sickness” (2000), alle Disturbed-Alben unmittelbar nach Veröffentlichung von Null auf Platz 1 der US-Billboard-Charts gingen und sich insgesamt bis dato 17 Millionen mal verkauften, war der Ami-Vierer hierzulande ausschließlich Metalheadz ein Begriff. Und jetzt? Jetzt finden sich Disturbed in den persönlichen Playlists von Hitparaden-Fans, einsortiert zischen David Guetta’s EM-Disaster „This One’s For You“ und dem Prolo-Blockbuster „Ham kummst“ von Seiler & Speer. Gut, man kann sich seine Verwandtschaft nicht aussuchen, aber wie ist es überhaupt dazu gekommen?

foto_03Fakt ist: „The Sound of Silence“ belegte 7 Wochen die Topposition der Austria Top 40, der österreichischen Verkaufshitparade (wurde zuletzt von Imanys „Don’t Be So Shy“ auf Platz 2 verwiesen) und ist damit nach „Faded” von Alan Walker (12 x No.1) der heurige Austro Charts-Marathon-Hit. Fakt ist aber auch dass „The Sound of Silence“ ein Cover eines Simon & Garfunkel-Songs von 1964 ist, der seinerzeit in seiner ersten Fassung kaum Aufmerksamkeit verursachte, in seiner Zweitauflage knapp zwei Jahre später dann doch No. 1 in den USA wurde und im Jahr danach (1967) im Film „Die Reifeprüfung” (Dustin Hoffman, Anne Bancroft) zum unkaputtbaren Klassiker wurde.

Mehr als 50 Jahre danach haben sich nun also Disturbed an dem legendären Lied vergangen. Blasphemie? Natürlich! Aber nicht, wie sonst üblich aus der Position des Songklassikers kritisiert, sondern aus dem Blickpunkt der Fans – zumindest aus meiner. Denn: 6 Alben und 20 Jahre lang (Die Band gründete sich 1996 in Chicago), gabs für Disturbed nur eine Richtung: Vorwärts. Und das laut, heftig, kompromisslos. Also genau jene Art von Riff-Rittern die uns Metalmaniacs das Gefühl und die Gewissheit geben, härter als der Rest der musikkonsumierenden Klientel zu sein. Was seit dem August 2015 sich änderte. Da erschien mit „Immortalized“ der sechste Disturbed-Lonplayer und die ersten 10 Songs lang war alles in Ordnung. „The Eye of The Storm“ trug die Lautstärke schon im Titel, „The Vengeful One“ ist die perfekte Symbiose aus beinharten Riffs und ebensolcher Gesellschaftskritik, und „Save Our Last Goodbye” ist sowieso das absolute Dezibel-Highlight. Und dann? Dann die übliche Coverversion. Auf die durfte man besonders gespannt sein, denn Disturbed sind bekannt für ihre Covers, wie in der Vergangenheit „Shout” (Tears For Fears), „Land Of Confusion” (Genesis) oder „Midlife Crises” (Faith No More). Nur der Vollständigkeit halber: Disturbed sind eine reine „Langrillenband“. Soll heißen, ihre Alben sind Topseller, ihre Singles kaum. Außer in Österreich. Seit „The Sound of Silence”, das erst 8 Monate nach erscheinen der CD zum Austro-Hit wurde. Ist das jetzt furchtbar? Jein. Vielmehr kommt einem als Metalmanic in den Sinn, dass sich straighte Kommerzkonsumenten sich hier ein ziemliches Ei gelegt haben. Warum? Weil sogar der zugehörige Longplayer (immer noch) ganz weit oben in den Verkaufscharts steht.

Das ist ja ein bekanntes Phänomen: Man hört einen Song, findet den gut und kauft sich ungehört die CD, den Download oder die Langspielrille. Na, da werden aber den Herrschaften ganz schön die Ohren schlacken, wenn sie den Rest der vermeintlich „sanften” Partie rund um Frontman David Draiman zu Gehör bekommen.

Stichwort Draiman: Der heute 43-jährige Frontman und Shouter hat zwei abgeschlossene Studien in Politik- und Rechtswissenschaften und dass er nicht der Dümmste unter der Sonne ist, beweisen vor allem seine Songlyrics. Besonders intensiv: Die (wahre) Geschichte des Sebstmords einer früheren Freundin, die er im Song „Inside The Fire“ (2008) verarbeitete. Das zugehörige Video ist nach wievor unzensuriert auf You Tube zu sehen, es zeigt wofür Draimann und seine Mannschaft stehen: Finger in die Wunde legen. Kompromisslos, ungeniert und laut.

Laut? Nun ja. Es ist nicht das erste Mal dass eine Schweißerpartie ihren Erfolg über den popig flockigen Kommerz sucht. Wir erinnern uns etwa an Nazareth. Jene schottische Hardrockband, die mit dem Joni Mitchell-Rockcover „This Flight Tonight“ 1973 durchstartete und mit dem unsäglichen Lamourhatscher „Love Hurts“ (Original von den Everly Brothers), ein Jahr danach in Österreich mega waren. Seitdem: Kein Zeltfest ohne Nazareth. Das war anno dazumals eine echte Niederlage für uns Hardrocker. Noch schlimmer aber war der Werdegang von Styx. Spezialisten wissen Bescheid: Styx das ist/war jene US-Hardrockband die mit Krachern wie „Miss America“ oder „Renegade” in den Spätsiebzigern jede Rock-Disco explodieren liesen, sofern der DJ ein Insider war. Alle anderen kennen das Quintett (so wie Disturbed!) aus Chicago, erst seit „Boat On The River“ (Anfang 1980 mehrere Wochen No.1 in Österreich), eine in Noten gegossene Schnulze zum Erbrechen. Okay, im Vergleich dazu ist das Disturbed-Cover jetzt nicht so schlimm geraten!

Conclusio: Ist es jetzt schlimm, dass eine Hau-drauf-und-Schluss-Kapelle einen No.1-Hit mit einem für ihren Output gänzlich „verstörenden“ Titel hat? Njet! Denn, jede(r) der oder die sich die Langrille besorgt hat wird entweder „Immortalized“ so rasch wie möglich an seine laute Verwandtschaft entsorgen oder (und das wäre wunderbar), sich auf die Entdeckungsreise ins Schwermetal(l)-Land begeben. So gesehen hat „Sounds Of Silence“ seine primäre Funktion erfüllt.

PS: Entschuldigung, habe ganz vergessen mich persönlich vorzustellen. Aber ich denke dass die obigen Zeilen mich so oder so erklären. Bess demnähx, werte SCHICKe Musiclover!

DISTURBED
23.02.2017
Wiener Stadthalle
Roland Rainer Platz 1, 1150 Wien

www.disturbed1.com
facebook.com/Disturbed

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