Life Magazin, Susanne Dressler, Die Uraufführung Knechte von Caren Jeß im Kosmostheater spart nicht mit Stoff zum Nachdenken

Seelenstrip der Häfnbrüder

Die Uraufführung „Knechte“ von Caren Jeß im Kosmostheater spart nicht mit Stoff zum Nachdenken.

Life Magazin, Susanne Dressler, Die Uraufführung Knechte von Caren Jeß im Kosmostheater spart nicht mit Stoff zum Nachdenken
© Bettina Frenzel - Knechte/Kosmos Theater

Weiße Schnüre hängen von der Decke, sanft wogend als würde man den Spa eines exklusiven Hotels betreten.

Weit gefehlt: Die fünf Männer, die sich in knallroten Anzügen über die Bühne rappen sind Insassen eines Gefängnisses. Je länger der Abend dauert und der Zuschauer die Gelegenheit bekommt in die Psycho der Häftlinge zu kriechen, umso stärker nimmt man die bodenlangen Vorhänge als Gitterstäbe wahr.

Dieser Wechsel an Wahrnehmung ist nur einer von vielen, den man im Laufe der Aufführung erlebt: Kaum scheint einem einer der Insassen mit seinem Seelenstrip über eine missratene Kindheit, unglückliche Liebe oder verpfuschtem Lebensstart ans Herz zu wachsen, schlägt die Wahrheit über den Grund der Gefängnisstrafe wie eine Bombe ein.

 

Einer raubte drei Frauen mit dem tödlichen Gift des Eisenhuts das Leben, ein anderer überfuhr bei der Flucht nach einem Raub eine hochschwangere Frau, der nächste misshandelte seine Frau auf unfassbar brutale Art und Weise, weil sie Tee mit einem anderen Mann getrunken hat.

Das Stück der deutschen Erfolgsdramatikerin Caren Jeß, die unter anderem schon beim Heidelberger Stückemarkt und für den Retzhofer Dramapreis nominiert war, ist 2020 geschrieben worden. Es gewährt wortreich – erstes großes Kompliment an die Darsteller für die Bewältigung der Wortkaskaden –, in modern-launiger Sprache, Einblick in die Psycho von Männern aus unterschiedlichen Gesellschaften und Kulturen, beladen mit Vorurteilen, Gewaltbereitschaft und einer Angry-Boy-Attitüde, die irgendwann nervt, aber scheinbar untrennbar zur Kommunikationswelt der zusammengewürfelten Gruppe gehört. Frauen spielen eine große, aber keine physische Rolle. Es wird über sie gesprochen, entweder abfällig – die Wärterin wird grölend-pubertär als Speckwanze tituliert – oder in einer besitzergreifenden Variante, wo Liebe zum höchsten Gut erhoben wird. Im Stück haben Frauen vielleicht nicht das Sagen, die Worte kommen aber, wie bereits erwähnt, aus der Feder einer Frauenhand, die es bestens versteht den Wechsel zwischen einem aggressiven, mit Selbstmitleid ringendem oder verzweifelten Duktus zu spielen. Die türkische Regisseurin Ebru Tartıcı Borchers hat ebenfalls ganze Arbeit geleitet und die geballte Ladung Testosteron energisch in Szene gesetzt. Das Stück ist übrigens nicht nur eine Uraufführung, sondern auch die Diplominszenierung von Ebru Tartıcı Borchers.
© Bettina Frenzel - Knechte/Kosmos Theater

Wortgewaltig

Das Stück der deutschen Erfolgsdramatikerin Caren Jeß, die unter anderem schon beim Heidelberger Stückemarkt und für den Retzhofer Dramapreis nominiert war, ist 2020 geschrieben worden.

 

Es gewährt wortreich – erstes großes Kompliment an die Darsteller für die Bewältigung der Wortkaskaden –, in modern-launiger Sprache, Einblick in die Psycho von Männern aus unterschiedlichen Gesellschaften und Kulturen, beladen mit Vorurteilen, Gewaltbereitschaft und einer Angry-Boy-Attitüde, die irgendwann nervt, aber scheinbar untrennbar zur Kommunikationswelt der zusammengewürfelten Gruppe gehört. Frauen spielen eine große, aber keine physische Rolle.

 

Es wird über sie gesprochen, entweder abfällig – die Wärterin wird grölend-pubertär als Speckwanze tituliert – oder in einer besitzergreifenden Variante, wo Liebe zum höchsten Gut erhoben wird. Im Stück haben Frauen vielleicht nicht das Sagen, die Worte kommen aber, wie bereits erwähnt, aus der Feder einer Frauenhand, die es bestens versteht den Wechsel zwischen einem aggressiven, mit Selbstmitleid ringendem oder verzweifelten Duktus zu spielen.

 

Die türkische Regisseurin Ebru Tartıcı Borchers hat ebenfalls ganze Arbeit geleistet und die geballte Ladung Testosteron energisch in Szene gesetzt. Das Stück ist übrigens nicht nur eine Uraufführung, sondern auch die Diplominszenierung von Ebru Tartıcı Borchers.

Life Magazin, Susanne Dressler, Die Uraufführung Knechte von Caren Jeß im Kosmostheater spart nicht mit Stoff zum Nachdenken
© Bettina Frenzel - Knechte/Kosmos Theater

Nikita Buldyrski, Servan Durmaz, Alaaeldin Dyab, Kai Götting und Igor Karbus spielen die Rollen der Häftlinge, die nicht unbedingt per Zufall einiges auf dem Kerbholz haben, mit bewundernswerter Glaubwürdigkeit und großem körperlichen Einsatz. Der jubelnde Applaus ist ihnen sicher! Was nimmt man mit nach Hause nach eineinhalb Stunden? Es ist bemerkenswert und wichtig, dass es Gegenwartsautoren gibt, die sich solch sperriger Stoffe schonungslos annehmen.

Life Magazin, Susanne Dressler, Die Uraufführung Knechte von Caren Jeß im Kosmostheater spart nicht mit Stoff zum Nachdenken
© Bettina Frenzel - Knechte/Kosmos Theater

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